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Lastesel des Steinbruchs 26. Februar 2019

Neue Ideen bei SKW und Muldenkipper

Sie sind die Lastesel des Steinbruchs: Muldenkipper, Dumper und andere SKW. Ein Überblick über Neuerungen.

Inhaltsverzeichnis

Heinz Herbert Cohrs (+)

Es fällt auf, dass alle etablierten Anbieter keine Experimente mehr wagen und seit mehreren Jahrzehnten Muldenkipper mit unveränderten Grundkonzepten anbieten. In der 70er Jahren gab es noch eine bunte Vielfalt unterschiedlicher Konstruktionen, beispielsweise Starrahmenkipper mit vorderer Zwillingsbereifung und Allradantrieb oder Zweiachser mit vier einzeln aufgehängten Radpaaren bzw. acht Einzelrädern. All diese Konzepte sind inzwischen vom Markt verschwunden. Sämtliche Hersteller bieten heute die gleichen Basiskonzepte an: Knickgelenkte Muldenkipper, die noch vor wenigen Jahren in den Nutzlastklassen zwischen rund 20 und 40 t auch mit nur zwei Achsen anrollten, fahren nun fast ausnahmslos auf drei angetriebenen Achsen. Bei Starrahmenkippern verhält es sich ähnlich: Sämtlich haben sie eine 4x2-Konfiguration mit gelenkten, nicht angetriebenen Vorderrädern und einer angetriebenen Hinterachse mit Zwillingsreifen. Nur bei den großen Versionen ab etwa 200 t Nutzlast streiten sich die Konstrukteure über den idealen Antrieb: diesel-mechanisch mit Getriebeuntersetzung oder diesel-elektrisch mit Elektromotoren an oder in den hinteren Radnaben.

Wo ist die Vielfalt geblieben? Viele Hersteller argumentieren: „Solche Konstruktionen haben sich eben nicht bewährt.“ Das mag stimmen, doch es tauchen auch andere Argumentationen auf: „Die Kipperbauweisen der großen, weltweit agierenden Hersteller haben sich mangels Alternativen vollständig durchgesetzt und werden deshalb von den Betreibern akzeptiert, ohne ernsthaft in Frage gestellt zu werden.“ Wer genau hinschaut, entdeckt mittlerweile doch eine Reihe an neuen Ideen.

Sattel- und Muldenanhänger: Geteilte Last für verdoppelte Last

Bei Lkw sind Sattelanhänger zwar überaus verbreitet, doch bei Muldenkippern weitgehend vergessen. Sie werden anstelle der Mulde auf das Chassis aufgesattelt und behindern weder Kurvenfahrten noch das rasche Rückwärtsrangieren beim Abkippen - schließlich rangieren Lkw-Sattelzüge auch problemlos auf Werkshöfen, vor Deckenfertigern und für das Beladen unter Radlader und Bagger. Das Transportkonzept mit Sattelanhänger kann bemerkenswerte Vorzüge haben, verbessert es doch das Verhältnis von Nutzlast zu Leergewicht beträchtlich. In manchen Fällen wird die Nutzlast annähernd verdoppelt, denn statt von einer oder zwei Hinterachsen, die den größten Teil der Ladung tragen, wird die Last jetzt auf zwei oder (bei je zwei Chassis- und Anhängerachsen) auf vier Achsen verteilt.

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Um diese Vorteile nutzen zu können, entwickelte der niederländische Hersteller Beco Anhänger zum Aufsatteln auf die Hinterwagen knickgelenkter Muldenkipper, denen dazu vorübergehend die Mulde abgenommen wird. Beco hat bei der Fertigung von Kippanhängern schon mehr als 40 Jahre Erfahrung. Das Programm enthielt bereits Muldenanhänger von 14 bis 26 t Nutzlast auf Tandemachsen und von 28 bis 36 t auf drei Achsen, die von Traktoren gezogen oder auf Lkw aufgesattelt werden.

Die Maxxim-Sattelanhänger von Beco können auf knickgelenkte Muldenkipper der 25-, 30-, 35- und 40-t-Klassen aufgesattelt werden und verdoppeln dann die Nutzlasten auf 50, 60, 70 oder 80 t. Die 8 bis 8,75 m langen und 2,5 bis 3 m breiten Mulden fassen 1:2 gehäuft zwischen 27,6 und 42,8 m³. Für rauhen Dauerbetrieb nimmt ein kräftiger Zentralrahmen die Torsions- und Verwindungskräfte auf und erübrigt eine aufwendige, schwere Kastenkonstruktion. Ein stabiler Königszapfen erlaubt enge Wendekreise, weil der Kippanhänger zu jeder Seite auf dem Chassis um 90° einschlagen kann.

Stirnseiten, Wände und Boden der Mulden werden aus abriebfestem HB400-Stahl mit 6 und 8 mm Stärke gefertigt. Serienmäßig besitzen die Kippanhänger eine Heckklappe, die sich beim Heben der Mulde durch zwei Stahlseile automatisch öffnet. Diese einfache Technik erübrigt eine Hydraulik oder Hebelmechanik. Allerdings verlängern sich die Kippzeiten gegenüber der Standardmulde etwas, da die Leistung der Knicklenker-Bordhydraulik ja nicht zu steigern ist.

Sämtliche Maxxim-Anhänger haben statt Zwillings- breite Einzelbereifung. Alle vier Räder der Pendel-Tandemachsen sind mit großdimensionierten Bremsen und einem Doppelleitungssystem ausgestattet, die zusammen mit den Bremsen des Knicklenkers kurze Bremswege und sicheres Dauerbremsen gewährleisten. Serienmäßig sind zudem geschützte LED-Beleuchtung und automatisches Schmiersystem.

Hinsichtlich genügender Motorleistung besteht kein Grund zur Sorge, denn Knicklenker werden stark motorisiert, um gut beschleunigen und beladen zügig Steigungen von rund 10 und 30 % befahren zu können. Das reicht für flotte Fahrten der Sattelzüge auf ebenen Strecken völlig aus. Nur das häufige Befahren langer Steigungen sollte vermieden oder dann auf weniger steile Umwegstrecken ausgewichen werden.

Bei der Fahrt ohne Rangieren kippen

Völlig andere Muldenanhänger, jedoch ebenfalls zum Aufsatteln auf Hinterwagen knickgelenkter Muldenkipper, denen dazu vorübergehend die Mulde abgenommen und eine Sattelkupplung aufmontiert wird, entwarf die US-amerikanische Firma E-Ject. Die Anhänger wurden von einem Straßenbauer zunächst für den Eigenbedarf entwickelt, bewährten sich aber so gut, dass E-Ject 2008 von Caterpillar aufgekauft wurde.

Bei dem Sattelanhänger E-Ject 7460 werden die 54 t Zuladung aus der Mulde ausgeschoben, aber nicht nach hinten, sondern ähnlich wie bei einem Schürfkübel während der Fahrt nach vorne. Deshalb überrollt der 7460 die ausgeschüttete Ladung sofort, was nicht nur für gleichmäßige Schüttlagen und eine Vorverdichtung sorgt, sondern auch ein Planiergerät zum Einebnen erspart und ebenso unzählige zeitraubende Wende- und Rückfahrmanöver zum Abkippen. Der E-Ject 7460 bleibt somit beim Abschütten stets in Fahrt, was die Takt- und Umlaufzeiten weiter verkürzt.

Der leer 24 t schwere Sattelanhänger fasst 36 m³ und eignet sich für 6x6-Knicklenker mit 36 metr. t Nutzlast (40 US-tons). Aufgesattelt auf einen Cat 740B, kommt der 20,5 m lange Sattelzug beladen auf 106 t Gesamtgewicht. Insofern lässt sich die zulässige Nutzlast des 6x6-Muldenkippers durch den Sattelanhänger um volle 50 % steigern. Die Fördermenge pro Stunde erhöht sich durch das Abschütten während der Fahrt sogar um mehr als 50 %.

Wegen der begrenzten Motorleistung des Chassis sollten keine größeren Steigungen als 8 % befahren werden. Das hydraulische Bremssystem des Anhängers mit vier im Ölbad laufenden Scheibenbremsen wird in das Knicklenker-Bremssystem integriert, damit mit nur einem Pedal sicher gebremst werden kann. Dank 110° Einknickwinkel zwischen Chassis und Sattelanhänger wird beim Wenden wenig Fläche beansprucht.

Keine Mulden-, sondern Schürfkübel-Sattelanhänger unterschiedlicher Nutzlast wurden vom kanadischen Hersteller K-Tec Earthmovers aus Manitoba konstruiert. Zum Aufsatteln auf Knicklenker, deren Mulde vorübergehend abgenommen wurde, dient ein Schwanenhals, was trotz der langen 6x6-Zugmaschine große Wendigkeit ermöglicht. Durch den temporären Umbau wandelt sich ein Muldenkipper in einen zugkräftigen und bis zu 60 km/h schnell fahrenden 6x6-Triebkopf für einen großen Schürfkübel (Scraper). Der Scraperbetrieb bietet im Vergleich zu Muldenkippern Vorteile wie Fahrzeugumlauf ohne Stopp, gleichmäßigen, selektiven Bodenabtrag, lagenmäßiges Abschütten ohne Planierraupe und weder zeitraubendes Rangieren noch rückwärts Fahren beim Abschütten.

Der 1254 ADT von K-Tec ist mit 41 m³ Inhalt der größte Scraper der Welt. Die Bezeichung deutet auf 54 cubic yards Inhalt und einen Knicklenker (englisch ADT: Articulated Dump Truck) hin. Der Anhänger wurde zum Aufsatteln auf 6x6-Kipper der 40-t-Klasse oder auch auf Starrahmenkipper wie Cat 769 und 772 konzipiert. Die Sattelanhänger von K-Tec werden seit über zehn Jahren erfolgreich eingesetzt, und dies nicht nur in Nord- und Südamerika, sondern auch in Afrika, Australien und Saudi-Arabien.

Verstärkte Lkw ersetzen 60-Tonner

Nicht auf gängige Muldenkipperkonzepte, sondern auf modifizierte Serien-Lkw und deren kostengünstige Komponenten aus der Großserienfertigung baut eine neue Strategie auf, um Transportkosten zu reduzieren. Das betrifft vorrangig eine neue Gattung von 4- und 5-Achsern, die mit bemerkenswerten Nutzlasten von 40, 50 oder sogar bis zu 70 t anrollen. Damit werden solche Lkw zu ernsten Konkurrenten sowohl für Knicklenker als auch Starrahmenkipper. Die größten auf dem deutschen Markt erhältlichen 6x6-Knicklenker tragen maximal 45 t (50 US-tons), und die Starrahmenkipper der bekannten Hersteller setzen bei 28 bis 40 t Nutzlast ein. Deshalb dürfen die neuen 4- und 5-Achser angesichts ihrer Nutzlasten als echte Off-Road-Muldenkipper gelten - und wurden auch genau dafür konstruiert, sind doch bei manchen keine Straßenzulassungen möglich.

Vorteilhaft bei den muskulösen Lkw soll in erster Linie der geringe Kraftstoffverbrauch sein. Die Verbrauchswerte sind wegen des geringeren Lkw-Eigengewichtes im Verhältnis zur technisch zulässigen Nutzlast im Off-Road-Betrieb sehr günstig. Der niederländische Hersteller BAS Mining Trucks berichtet von einem Einsatz mit 30 FMX 10x4 auf Volvo-Lkw-Basis für 55 t Nutzlast bei nur 22 t Leergewicht, die durchschnittlich nur 14,2 l/h Diesel schlucken.

Während die Lkw also auf gerade mal 77 t Gesamtgewicht kommen, beträgt das bei Starrahmenkippern vergleichbarer Nutzlast 95 oder sogar über 100 t. Somit bringen die unbeladenen 5-Achser etwa 40 bis 50 % weniger Eigengewicht auf die Waage. Das bedeutet, dass ein Starrahmenkipper der 55-t-Klasse pro Tonne Leergewicht gerade mal 1,1 oder 1,2 t Nutzlast trägt, der 5-Achser-Lkw hingegen beachtliche 2,5 t. Bei den größten knickgelenkten 6x6-Muldenkippern mit 45 t Nutzlast liegt dieser Wert bei 1,3 t.

Insofern transportiert der 5-achsige Lkw im Vergleich zu sämtlichen Muldenkippern des Marktes bei jeder Fahrt mehr als die doppelte Last pro Tonne Eigengewicht. Um diese Argumente weltweit zu den Kunden zu bringen, riefen Lkw-Hersteller wie MAN und Scania eigens neue Mining-Abteilungen ins Leben. Auch spezialisierte Lkw-Bauer wie BAS und Ginaf aus den Niederlanden gründeten Mining-Bereiche und betonen als besondere Vorzüge: „Die HD-Serie wurde für Einsätze im Bergbau entwickelt. Die innovativen Fahrzeuge vereinen Abmessungen und Wartungsansprüche eines normalen Lkw mit der Ladefähigkeit eines Muldenkippers. Dies führt zu geringeren Transportkosten pro Tonne und folglich zu einem höheren finanziellen Ertrag für den Kunden.“

Ein weiterer Vorzug der Lkw ist bei der Bereifung zu finden. Die Lkw fahren auf kleinen, überall verfügbaren Reifen. Beispielsweise rollen die 5-Achser nicht wie knickgelenkte oder Starrahmenkipper auf sechs großen, teuren EM-Reifen, sondern auf 14 oder 16 gängigen und kostengünstigeren Lkw-Reifen. Allerdings verschleißen daher auch mehr Reifen und führen eventuell zu häufigeren Stillstandzeiten.

Neuer Antrieb und mehr Last für 6x6

Auch allradgetriebene 6x6-Knicklenker („Dumper“) rollen mit frischem Schwung und höheren Nutzlasten an. Bislang gehen sie bereits bei 45 metr. t Nutzlast (entspricht 50 US-tons) aus dem Rennen. Ende 2013 präsentierte der chinesische Hersteller XCMG den DAE60, der nun mit 60 metr. t Nutzlast größter Übertage-Knicklenker der Welt ist. Bei seiner Konstruktion schlugen die Chinesen neue Wege ein, wird der DEA60 doch diesel-elektrisch angetrieben. Ein Cummins-Dieselmotor erzeugt mit einem Generator Strom, der je nach Bedarf elektrische Radnabenmotoren in zwei, vier oder sechs Rädern antreibt. Bei Leerfahrten und geringem Kraftbedarf reicht 2-Rad-Antrieb, bei mittlerer Belastung wird automatisch oder manuell auf 4-Rad-Antrieb geschaltet. Bei Fahrten auf steilen Rampen oder über schweres Gelände werden alle sechs Räder angetrieben.Durch den Wechselstromantrieb, bei dem nur Kabel zu den sechs Radnabenmotoren führen, erübrigen sich Antriebswellen zu den drei Achsen und aufwendige Zwischenachsdifferenziale. Für hohen Fahrkomfort im Gelände oder bei bis zu 45 km/h Tempo sorgt eine hydropneumatische Federung an allen drei Achsen.

Hinsichtlich größerer Nutzlasten bei 6x6-Bauweise demonstriert nun ein Untertagekipper, was technisch machbar ist. 2013 stellte Atlas Copco den dreiachsigen MT85 vor, der mit 85 metr. t Nutzlast jetzt mit großem Abstand der tragkräftigste knickgelenkte Muldenkipper weltweit ist. Auch hier suchten die Konstrukteure nach neuen Lösungen und brachten daher einige Baugruppen nicht wie bei herkömmlichen Knicklenkern im Vorderwagen, sondern in Unterflurbauweise unter der Mulde im Hinterwagen unter.

Aufgrund dieser pfiffigen Bauweise mit nur 3,4 m Breite und 3,5 m Höhe kann der MT85 vorhandene Stollen nutzen, die bisher von Untertagekippern der 50-t-Klassen befahren wurden und insofern nicht aufgeweitet werden müssen. Durch seine elektrohydraulische Lenkung der Hinterachse und einen Knickwinkel von 44° zwischen Vorder- und Hinterwagen durchfährt der 14 m lange MT85 auch enge Radien.

Um unterschiedlichen Einsatzprofilen optimal gerecht zu werden, bietet der MT85 einen hochgradig modularen Aufbau mit verschiedenen Optionen. So ist die Mulde je nach Bauweise nach hinten oder zur Seite zu kippen. Außerdem stehen drei Motorvarianten mit 535, 760 oder 1010 PS sowie Vierrad- oder Sechsradantrieb zur Verfügung. Mit dem MT85 verspricht sich Atlas Copco eine deutliche Steigerung der Transportkapazitäten bei reduzierten Transportkosten.

ETF-Muldenkipper: Viele Achsen mit noch mehr Rädern

Wer Modultransporter wie von Goldhofer oder Scheuerle für den Transport hunderter oder tausender Tonnen schwerer Lasten kennt, kann sich leicht das Basiskonzept der innovativen ETF-Muldenkipper vorstellen. ETF ist ein neuer Hersteller und fertigt derzeit in Slowenien seine ersten drei Muldenkipper mit 240 US-tons (218 metr. t) Nutzlast für einen Eisenerztagebau in Brasilien. Die Abkürzung ETF steht für European Truck Factory mit Sitz im deutschen Nordhorn und in Fujairah in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die bislang nur in der Theorie bestehende Baureihe der ETF-Muldenkipper mit fünf Modellen von 155 bis 455 metr. t Nutzlast unterscheidet sich von konventionellen Starrahmenkippern durch ihre vier bis acht Achslinien mit jeweils vier Einzelrädern, die an jeder Achslinie zu zwei Paaren zusammengefasst sind. Auf diese Weise rollt beispielsweise der MT-240 für 218 t Nutzlast auf fünf Achslinien mit insgesamt 20 Reifen.

Wie bei Modultransportern sind alle Radpaare einzeln lenkbar und hydraulisch gefedert. Dies erlaubt nicht nur das Wenden fast auf der Stelle (bei 21,4 m Länge nur 29 m Wendekreisdurchmesser), sondern fängt Fahrbahnunebenheiten deutlich besser ab als Zwillingsreifen. Dadurch reduziert sich der Verschleiß der 20 Reifen, zudem werden bei Leerfahrten zwei Achslinien hydraulisch hochgefahren, was den Verschleiß weiter mindert.

Auch der Grundaufbau des ETF MT-240 unterscheidet sich erheblich von „normalen“ Muldenkippern, denn das Antriebsmodul ist über (!) der weit vorne befindlichen Fahrerkabine angeordnet. Dadurch hat der Fahrer optimale Sicht nach vorne und zu beiden Seiten. Für den Antrieb sorgen nicht ein, sondern vier Dieselmotoren mit 1920 kW (2574 PS) Gesamtleistung. Bei Leerfahrt arbeitet nur ein Motor, bei Lastfahrten zwei oder drei, und nur bei Steigungsfahren mit Last wirken alle vier Motoren gemeinsam. Die Schaltung der Motoren, die für gleichmäßigen Verschleiß wechselweise im Rotationsverfahren laufen, erfolgt automatisch. Jeder Dieselmotor lässt sich als Modul innerhalb von nur 15 min austauschen. Fällt ein Motor aus, kann vorerst mit den drei anderen gefahren werden.

Weil sämtliche Räder der fünf Achslinien angetrieben werden, bietet der MT-240 eine extrem hohe Traktion und bei rutschigen, feuchten Fahrbahnen eine bessere Fahr- und Lenksicherheit. Jedes der zehn Radpaare lässt sich mitsamt Antrieb in nur 25 min auswechseln, was Stillzandzeiten gering hält. Durch die hydropneumatische Federung kann jedes Radpaar hydraulisch angehoben werden; das vereinfacht Radwechsel. Bei einer Reifenpanne kann der Muldenkipper dank angehobenem Radpaar stets noch bis zur Werkstatt fahren.

Der erste MT-240 befindet sich in Brasilien bereits in der Testphase. Nach Auslieferung der beiden anderen Exemplare soll zeitweise auch ein „Haul Train“ aus drei MT-240 zusammengekuppelt werden. Dann werden insgesamt 654 metr. t Ladung von nur einem Fahrer bewegt, denn die nachfolgenden MT-240 werden durch Singalleitungen in robusten Stahlstangen, die sie miteinander verbinden, automatisch gesteuert. Das betrifft auch die Regelung ihrer Motoren.

BelAZ: Drehschemellenkung an beiden Achsen

Ein gänzlich anderes Konstruktionsprinzip verfolgten die Konstrukteure von BelAZ, um den derzeit größten Muldenkipper der Welt auf die Räder zu stellen. Bei uns recht unbekannt, zählt BelAZ mit mehr als 60 Jahren Erfahrungen im Kipperbau zu den größten Anbietern und ist hinsichtlich der produzierten Stückzahlen von über 135.000 wahrscheinlich sogar weltweit führend.

BelAZ-Muldenkipper werden in 70 Ländern eingesetzt. Eigenen Angaben zufolge stammen 1/3 aller Muldenkipper ab 25 t Nutzlast rund um den Globus aus dem weißrussischen Werk. Das Unternehmen produziert schon seit Jahrzehnten diesel-elektrisch angetriebene Tagebaukipper mit heute bis zu 360 t Nutzlast, hat Vertretungen in 33 Ländern und beschäftigt 13.000 Mitarbeiter.

Der neue BelAZ 75710 wurde für 450 metr. t Nutzlast entworfen, was fast 500 US-tons entspricht. Damit übertrifft der Muldenkipper seine größten Konkurrenten für 400 US-tons, also die bisherigen Rehordhalter, gleich um 25 % mehr Nutzlast. Das entspricht immerhin 90 t, die seine Mulde zusätzlich tragen kann. Um trotz seiner Größe die gleichen Fahrwege wie die 400-Tonner benutzen zu können, wurde für den Kipperriesen eine alternative Bauweise gewählt.

So verfügt der 75710 nicht nur an der Hinterache, sondern auch vorne über Zwillingsreifen. Damit teilen sich nicht nur sechs, sondern acht Reifen - mit der Größe 59/80 R63 die größten erhältlichen Kipperreifen - das gewaltige Gesamtgewicht von 810 t. Da aber Zwillingsreifen beim Lenkeinschlag viel Raum beanspruchen, hätte dies den Rahmen des Kippers zu schmal oder aber die Gesamtbreite zu groß werden lassen.

Deshalb erhielt der 75710 sowohl an der Vorder- als auch Hinterachse eine Drehschemellenkung. Mit anderen Worten: Beide Achsen werden beim Lenken komplett hydraulisch geschwenkt, die konventionelle Achsschenkellenkung ist demnach nicht mehr vorhanden. Durch die Vorder- und Hinterachslenkung wird ein „kleiner“ Wendekreisradius von 19,8 m möglich, verglichen mit 17,2 m bei einem 360-t-Kipper.

Ebenfalls anders als bei üblichen Starrahmenkippern werden auch beide Vorderräder wie die Hinterräder diesel-elektrisch durch Radnabenmotoren angetrieben. Die Kraft dazu erzeugen zwei 16-Zylinder-Motoren von MTU aus Friedrichshafen mit zusammen 3430 kW (4600 PS) Leistung und ein hochmoderner Wechselstromantrieb von Siemens. Bei der Fahrt arbeiten beide Dieselmotoren, doch während des Beladevorganges und bei Bergabfahrten läuft nur ein Motor, was Kraftstoff einspart.

In der Ebene erreicht der neue Rekordkipper 64 km/h Tempo. Seine Motorleistung wurde so ausgelegt, dass er mit 270 m³ in der Mulde, also bei voller Zuladung, lange Steigungen von bis zu 12 % befahren kann, über kurze Strecken sogar 18 %. Derzeit durchläuft der erste 75710 Testreihen in einem sibirischen Kohletagebau. Im Januar wurde dort eine markante Zahl erreicht: Der BelAZ-Riese hatte im Rund-um-die-Uhr-Einsatz seine erste Milionen Tonnen Abraum transportiert.

Wann der 75710 in die Serienproduktion gehen wird, gibt der Hersteller noch nicht bekannt. Weil der Muldenkipper aber hinsichtlich seiner Nutzlast noch konkurrenzlos ist und Wettbewerber angesichts der verfügbaren Reifengrößen nicht so ohne weiteres einen ähnlich tragkräftigen 4x2-Kipper bauen können, möchte BelAZ den 75710 zukünftig gegen die 360-t-Muldenkipper der sogenannten Ultra-Klasse antreten lassen. Interessant ist das besonders deshalb, weil er trotz seiner um 25 % größeren Nutzlast auf den gleichen Fahrwegen rollen kann.

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