Der Steinbruch als Drehort: Western auf Plattdeutsch
Western auf Plattdeutsch – geht das? Das geht, wie der Kurzfilm „Wild Wild Westfalen“ zeigt. Thema ist der Strontianit-Rausch im Münsterland Ende des 19. Jahrhunderts. Gedreht wurde im Ibbenbürener Steinbruch.
„Wem die dicken Brocken eigen, der bekommt zumeist noch mehr. Die für ihn ins Erdreich steigen, ihre Hände bleiben leer.“ Mit diesen Worten flankiert die Schauspielerin Justine Hauer als Erzählerin den Film „Wild Wild Westfalen“. Humoristisch und doch kapitalkritisch widmet sich der Kurzfilm dem Thema Strontianit-Abbau in den 1870er Jahren. Und das auf Plattdeutsch und im Stile eines Westerns.
„Strunz“, das weiße Gold
Es ist das Jahr 1878, vor der Grube „Bertha 5“ im südöstlichen Münsterland – in der preußischen Provinz Westfalen – sitzt Karl, ein Minenarbeiter, der auf schnelles Geld hofft. Zu ihm eilt Jans, ein Grubenarbeiter aus der Region. In seinen Händen hält Jans einen Brocken „Strunz“.
„Strunz“ ist hier der Name für das weiße Mineral Strontianit, welches für die Gewinnung von Zucker aus Melasse verwendet wurde. Zucker war zu dieser Zeit noch teurer und nicht für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar. Menschen witterten hier Reichtum, weshalb der Abbau und Verkauf von Strontianit zu der Zeit boomte.
Aber zurück zum Film: Während Karl und Jans überlegen, was sie mit dem Brocken „Strunz“ anfangen, bricht ein Streit zwischen ihnen aus. Beide wollen das Mineral verkaufen und den Gewinn für sich behalten. Die Rechnung haben sie allerdings ohne den Grubenbesitzer gemacht. In feiner schwarzer Kleidung und auf einer Zuckerstange kauend taucht Herr Sööt auf. Er verfolgt eigene Pläne beim Strontianit-Abbau und bedroht die beiden Arbeiter. Doch nicht genug: Bevor es zwischen den 3 Männern eskaliert, erscheinen die Dorffrauen mit Mistgabel, Gewehr und Dreschflegel. Sie haben noch etwas zu klären – sowohl mit den Bergleuten als auch mit dem Grubenbesitzer Herrn Sööt. Ihre Männer und Söhne werden schließlich für den Abbau ausgebeutet.
Bitte auf (Platt)deutsch
Schauspieler und Schauspielerinnen der Niederdeutschen Bühne Münster lassen die Geschichte des Strontianit-Rausches wieder lebendig werden. Dabei sprechen die Figuren historisch getreu Münsterländer Platt. Aber keine Sorge: Damit auch Menschen ohne Plattdeutsch-Kenntnisse den Film „Wild Wild Westfalen“ verstehen können, gibt es durchgängig Untertitel auf Hochdeutsch.
Produziert wurde der Kurzfilm von dem Filmkollektiv "wenndienaturnichwill" in Koproduktion mit dem Medienzentrum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe. Als Drehort diente der Ibbenbürener Steinbruch – auch wenn das nicht ganz historisch korrekt ist. Schließlich findet sich hier Quarzsandstein aus dem Oberkarbon. Aber das ist nur eine „kleine erdgeschichtliche Ungenauigkeit“, wie Justine Hauer als Erzählerin charmant feststellt.
Die Story basiert dabei auf dem plattdeutschen Roman „De Strunz. Ne Industrie- un Buern-Geschicht“ von Augustin Wibbelt. Der westfälische Dichter setzte sich 1902 mit dem Strontianit-Abbau und der damit verbundenen Hoffnung der Landbevölkerung auf eine bessere Zukunft auseinander.
Zerschlagene Hoffnung
Doch was wurde eigentlich aus dem Boom des Strontianit-Abbaus? Nach einem kurzen wirtschaftlichen Aufschwung in der Region Münsterland verebbt das Interesse an dem Mineral wieder. Der Grund dafür war Coelestin. Ein Mineral, das ebenso in der Zuckerindustrie als Katalysator für die Restentzuckerung von Melasse eingesetzt werden konnte. Aber im Gegensatz zu Strontianit konnte Coelestin in England deutlich günstiger und in größeren Mengen abgebaut werden. Dadurch fehlten dem Münsterländer Mineral die Käufer und viele Gruben mussten schließen. Bis 1945 förderte noch die Grube Wickensack in Ascheberg Strontianit, stellte dann aber auch ihren Betrieb ein.
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