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Archiv 9. Juni 2017

Artenreiche Rohstoffgewinnung

Den Artenschutz als gemeinsames Anliegen in enger Abstimmung zu fördern, ist Gegenstand einer Erklärung mit dem Titel „Amphibienschutz in der Rohstoffgewinnung“, die am 8. Mai 2017 feierlich in der Hauptverwaltung der Quarzwerke GmbH in Frechen unterzeichnet wurde.

Alle Teilnehmer aus interessierten Unternehmen, Biostationen, Verbnden und vom NABU beim Prsentations- und Unterzeichnungstermin am 8. Mai in Frechen.
Alle Teilnehmer aus interessierten Unternehmen, Biostationen, Verbnden und vom NABU beim Prsentations- und Unterzeichnungstermin am 8. Mai in Frechen.

Zu den Unterzeichnern gehören der NABU NRW, der für die betreffende Wirtschaft wirkende Verband der Roh- und Baustoffindustrie, vero, und sechs biologischen Stationen. Parallel absolvierte diese Willensbekundung direkt ihren ersten Schritt in die Praxis: Robert Lindemann-Berk, Geschäftsführender Gesellschafter der Quarzwerke-Gruppe, unterzeichnete die Vereinbarung als erster Vertreter der nordrhein-westfälischen Rohstoffwirtschaft mit der konkreten Absicht, den Lebensraum von spezialisierten Amphibien zu fördern.

Abgrabungsamphibien heißen im Sprachgebrauch der Biologischen Stationen jene Vertreter der an Land und im Wasser lebenden Tierklasse, die nicht überall vorkommen, sondern sich auf spezielle Lebensräume spezialisiert haben. Zu diesen Spezialisten gehören vor allem Wechsel- und Kreuzkröte, Gelbbauchunke und Geburtshelferkröte. Da gerade deren natürlichen Lebensräume aber in der mitteleuropäischen Landschaft weitgehend verloren gegangen sind, bilden Rohstoffgewinnungsstätten speziell für diese Arten bedeutende Rückzugsräume, die sie zur Fortpflanzung, als Verstecke und für Winterquartiere – kurzum: zum Überleben – benötigen.

Diese Tatsache ist nicht neu, sondern seit längerem bekannt. Auch gab es bereits sehr erfolgreiche Einzelkooperationen zum Schutz dieser und anderer Arten, nun aber wurde für die Zusammenarbeit in NRW ein gänzlich neuer Ansatz gewählt, der neben der Willenserklärung eine sehr produktive Umsetzung in der Praxis verspricht. Beteiligte Unternehmen erhalten nämlich eine eingehende fachliche Begleitung durch die für sie räumlich zuständige Biologische Station. In Kooperation werden auf dieser Basis konkrete Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der genannten Arten geplant und unter Anleitung umgesetzt, sowie – ganz entscheidend für das Miteinander im Win-win-Modus –, mit der Rohstoffgewinnung in Einklang gebracht.

Als sehr nützlich dürfte sich in der Umsetzung noch erweisen, dass die Erklärung nicht als bloße Willensbekundung im Raum steht, sondern parallel ein Maßnahmenkatalog zur Unterstützung der Abgrabungsamphibien in der Rohstoffgewinnung NRW‘s entwickelt wurde. Das Kooperationsprojekt von sechs Biologische Stationen, NABU NRW und vero, mündet damit in eine praktische Anleitung für Unternehmen. Eindrucksvoll stellt dieser Leitfaden  dar, mit welch einfachen Mitteln die Ansiedlungsdynamik der anspruchsvollen Spezialisten unter den Amphibien gefördert werden kann. Damit, und im Wissen um die fachliche Betreuung durch die Biologen der Stationen im Umfeld, hat die Initiative bereits vom Start weg viel Zustimmung erfahren. Nach den erstunterzeichnenden Quarzwerken stehen laut vero bereits zehn weitere Unternehmen zur Unterschriftsleistung bereit.

Erstunterzeichner: Robert Lindemann-Berk, Geschftsfhrender Ges. der Quarzwerke (vorn) setzt mit seiner Unterschrift eine generationenbergreifende Familientradition fort. Hinten v.l.n.r. Josef Tumbrinck, Raimo Benger und Christian Chmela, Leiter der zustndigen Biologischen Station Bonn/Rhein-Erft.Foto: Foto: vero
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Als Wirtschaftsvertreter und Gastgeber der Kick-off-Veranstaltung betonte Robert Lindemann-Berk in seiner Rede: „Es ist toll, zu sehen, was solch eine Grube hervorbringen kann – und wozu sie noch weiter in der Lage ist, wenn man es nur gemeinsam will.“ Es sei stets ein Grundsatz der bereits mehrere Generationen umfassenden Familientradition gewesen, sich zu jeder Zeit den besten Fachrat einzuholen, den man bekommen konnte, um die Rohstoffgewinnung mit möglichst „schönen Folgen zu verknüpfen“. Zweifelsfrei haben hier die geltenden Meinungen und Erfahrungswerte zu unterschiedlichen Zeiten auch zu ganz unterschiedlichen Empfehlungen geführt. „Geblieben ist“, so Robert Lindemann-Berk „dass wir weiter an diesem Ziel arbeiten und dabei auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Fachleuten des Naturschutzes setzen. Wir lernen gerne dazu, denn unser Bemühen, alles richtig zu machen, ist groß.“

Seitens des impulsgebenden regionalen Wirtschaftsverbandes vero, stellte dessen Hauptgeschäftsführer RA Raimo Benger vor allem die mit dem Maßnahmenkatalog erstellte konkrete Anregung zum nachhaltigen Wirtschaften heraus, die Hemmschwellen im Umgang mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen abbaut. Herzlich dankte er den Akteuren, allen voran Britta Franzheim, studierte Biologin und PR-Managerin der Quarzwerke, für ihr Engagement im Sinne der landesweit nutzbringenden Amphibienvermehrung. Das jene umso besser sichergestellt ist, wenn die spezialisierten Arten eine dynamische Natur, grabbare Böden und wechselnde Wasserverhältnisse vorfinden, und welche Vorteile daraus wiederum für die nach Rohstoffen grabenden Menschen resultieren, vermittelten Peter Schmidt, Biologische Station Bonn und Elmar Schmidt, NABU Naturschutzstation Leverkusen – Köln. Im Grunde beruht der fest eingeplante Erfolg auf einer Partnerschaft im Kreis: Unternehmen und Biostationen stimmen sich ab, bei Planungsänderungen im Betrieb wird unmittelbar miteinander gesprochen. Die Behörden erhalten über die Biologischen Stationen als wichtige Mittler im Konzept Daten – der Bestandserhalt und -ausbau der Arten gelingt nachweisbar mit wenig Aufwand und das Unternehmen hat dank positiver Mitwirkung wiederum einen guten Namen bei Behörden und Naturschutz. Ein Miteinander, das kaum Zweifel am Erfolg lässt.

Josef Tumbrinck, NABU-Landesvorsitzender NRW, nennt den Handlungsleitfaden – zu dem er ein Vorwort beisteuerte – ein wichtiges Signal für das Bundesland. Die bei der Erstellung im Abstimmungsprozess ausgelöste Diskussion spart er trotz allen Lobes nicht aus, sondern nennt sie vielmehr nützlich. So konnte am Ende sichergestellt werden, dass der Leitfaden nunmehr gut in allen beteiligten Kreisen verankert ist. Dem Netz der Biologischen Stationen kommt im Gesamtkontext der Initiative eine wichtige Rolle als Mittler zu. Tumbrinck benannte natürlich in seiner Rede auch Probleme beim Thema Rohstoffsicherung in NRW. Aber – so der NABU-Chef – „es wird gesprochen, unser Draht ist eng und gemeinsam kann es uns gelingen, tragfähige Lösungen für die Zukunft zu finden. Als Bestätigung lassen sich die Aussagen des zum Termin noch amtierenden NRW-Umweltministers Johannes Remmel werten, der das Projekt in einem weiteren Vorwort zur Broschüre ein „beispielhaftes Modell des Dialogs, der Kooperation und des Ausgleichs privatwirtschaftlicher und öffentlicher Interessen“ nannte und die Rohstoffindustrie als nützliche Säule zur Stützung der Biodiversitätsstrategie des Landes hervorhob.

Fest steht, dass bei allen noch vorhandenen Differenzen zum Thema Rohstoffgewinnung in NRW, Projekte wie das gestartete den Dialog aller beteiligten Seiten weiter verbessern und in die Öffentlichkeit tragen. Die mineralische Rohstoffindustrie des Landes und vero als Interessenvertreter der betroffenen Wirtschaft sind im „Partnerstatus“ angekommen und die erreichte Augenhöhe schafft neue Möglichkeiten in der Kommunikation.

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