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Archiv 11. August 2015

Keine „Lego-Brücken“ für NRW

Die Begeisterung des NRW-Bauministers Michael Groschek für standardisierte, vorgefertigte Brückenbauwerke nach dem niederländischen „Lego-Prinzip“ teilt die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen nicht.

Gibt es wirklich: die Legobrcke in Wuppertal ? Standardisierte Bauwerke im Baukastenprinzip erfllen laut Bauingenieurkammer NRW aber selten lokale Anforderungen
Gibt es wirklich: die Legobrcke in Wuppertal ? Standardisierte Bauwerke im Baukastenprinzip erfllen laut Bauingenieurkammer NRW aber selten lokale Anforderungen

„Diese Konstruktionen sind kaum als Ersatz für bestehende Brücken in NRW geeignet“, so der Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, Dr.-Ing. Heinrich Bökamp. Neben Sicherheitsfragen sieht der Kammerpräsident vor allem den wirtschaftlichen Aspekt kritisch.

Minister Groschek zeigte sich nach einem Besuch im Nachbarland von der „Lego-Bauweise“ begeistert. Seiner Ansicht nach verspricht sie schnelle Lösungen für den Ersatz maroder Brücken in Nordrhein-Westfalen. In einem Modellversuch soll nun untersucht werden, ob derartige modular zusammengesetzte Brücken hierzu geeignet sind. Kammerpräsident Dr.-Ing. Heinrich Bökamp warnt vor falschen Hoffnungen: „Ein solches Konstruktionsverfahren nach Baukastensystem kann dann sinnvoll sein, wenn es in Serie verwendet wird und an jedem Standort die Rahmenbedingungen hierfür optimal, also möglichst gleich sind.“ Das sei dann der Fall, wenn beispielsweise zuerst die Brücke gebaut und danach die Zufahrtswege angepasst werden. Die aktuelle Situation in NRW sei aber das genaue Gegenteil, erläutert der Ingenieur: „Jede Brücke ist anders, die Spannweiten unterscheiden sich, die jeweilige Einbindung in die Umgebung ebenfalls. Wir haben höchst individuelle Voraussetzungen, an die sich die Brücke jeweils anpassen muss. Mit vorgefertigten Elementen kommt man da nicht weit, da die vor Ort vorhandenen Verhältnisse zuerst den Randbedingungen des Baukastensystems angepasst werden müssen. Vermutete finanzielle Vorteile dürften sich schnell ins Gegenteil umdrehen.“ Zudem erfüllen die niederländischen Konstruktionen in Teilen den in NRW aktuell geltenden Sicherheits- und Konstruktionsstandard nicht.

Bedenklich findet der Kammerpräsident auch die Bauweise an sich: „Wir wissen, dass insbesondere Fugen, also die Stellen, an denen unterschiedliche Bauteile aufeinander treffen bzw. zusammengesetzt werden, immer neuralgische Punkte sind. Sie sind wartungs- und damit kostenintensiv.“ Bei der niederländischen „Lego-Bauweise“ gibt es viele Fugen – ein Faktor, der die zunächst vielleicht preiswerten Brücken auf Dauer ebenfalls schnell zu aufwändigen und teuren Bauwerken machen kann.

„Tatsache ist“, so Bökamp, „dass über Jahrzehnte hinweg die Beanspruchungen kontinuierlich gestiegen sind und parallel zu wenig Geld in den Unterhalt unserer Infrastruktur investiert wurde. Diese Versäumnisse jetzt mit Maßnahmen kompensieren zu wollen, bei denen die nächsten Probleme systembedingt schon absehbar sind, halte ich für unklug. Dieses Vorgehen ist auf Dauer nicht wirtschaftlich.“

Ebenfalls müsse kritisch geprüft werden, ob öffentlich-private Partnerschaften der geeignete Weg seien, neue Bauwerke zu realisieren: „Wir sehen an laufenden Projekten, dass sie in erster Linie dazu führen, dass die bewährte Trennung von Planung und Ausführung geopfert wird. Die ingenieurmäßig sinnvolle Lösung gerät unter das Diktat von Budget und Renditewunsch.“

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Und letztlich, so der Ingenieurkammerpräsident, müsse sich die Gesellschaft auch eine wichtige Frage stellen: „Möchten wir in einer gebauten Umwelt leben, die vielerorts standardisierte Einheitsbrücken mit relativ bescheidenem gestalterischen Anspruch aufweist?“ Bökamp ist sicher, dass baukulturell ein solches Szenario nicht erstrebenswert ist.

Den Wunsch des Bauministers, schnelle Lösungen für die maroden Brückenbauwerke zu finden, begrüßt der Kammerpräsident ausdrücklich. Dafür müsse aber keine Bauweise importiert werden, die nicht unseren Qualitäts- und Sicherheitsstandards entspräche. „Weniger als 40 Prozent der Zeit, die in Deutschland für die Realisierung einer Brücke notwendig ist, entfällt auf den eigentlichen Bau. 60 Prozent werden für die Planungsphase, beispielsweise für sehr lange Planfeststellungsverfahren, benötigt“, beklagt Heinrich Bökamp. „Wir sind gern bereit, in einer Task Force mitzuarbeiten, die Lösungen für eine deutliche Verkürzung dieser Zeitspannen entwickelt und damit zu einer schnelleren Verbesserung der maroden Infrastruktur beiträgt.“ Eins ist für den Präsidenten der Ingenieurkammer-Bau NRW aber klar: „Nur um schnelle Effekte zu erzielen, dürfen wir uns keine unwirtschaftlichen Bauwerke ins Land holen, bei denen die nächsten Probleme schon absehbar sind. Aus Sicht der Ingenieure gilt stets: Die Sicherheit der Nutzer und die Qualität der Bauwerke sind nicht verhandelbar.“

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