Explosive Experimente mit Geldregen im Steinbruch
Sprengungen im Steinbruch sind nichts Außergewöhnliches. Aber als das Landeskriminalamt Baden-Württemberg anreist, fliegen keine Steine, sondern Geldautomaten durch den Steinbruch Weinheim.
Im Rhein-Neckar-Kreis im Steinbruch Weinheim versammelte sich im vergangenen Herbst ein Expertenteam des Landeskriminalamts (LKA). Sie kamen zum Ermitteln in den Steinbruch. Ihr Blick richtete sich dabei aber nicht auf den Steinbruch selbst oder den Betrieb, sondern viel mehr auf das, was sich in ihrem Gepäck befand: ausrangierte Geldautomaten.
Vor Ort angekommen baute das LKA-Team eine Wand auf, stellte davor einen Geldautomaten und positionierte den Sprengstoff. Dann trat das gesamte Team einen großen – einen wirklich großen – Schritt zurück. Es folgte der Ruf eines Teammitglieds: „Ich zünde in 3, 2, 1…“ Sein Daumen betätigte den Fernzünder und ein lauter Knall hallte durch den Steinbruch. Es regnete Trümmer, Splitter und verbogenes Eisen. Rauch umnebelte den Tatort und verbarg den Automaten. Als sich der Rauch lichtete, war ein Regen von verkohlten Geldscheinen erkennbar.
Was das LKA bezweckt
Mit den Testsprengungen untersuchte das LKA-Team das Gefahrenpotenzial solcher Aktionen. Zudem testeten die Experten und Expertinnen, welchen Einfluss eine Sprengung auf die Verfärbungs- und DNA-Flüssigkeitstechniken in den Automaten hat. Hierbei handelt es sich um eine Sicherheitstechnik, die bei Sprengungen das Geld verfärbt beziehungsweise markiert, damit Täter mit ihrem Diebesgut nichts mehr anfangen können. Ferner kann das Verfahren dabei helfen, die Täter zu fassen.
„Das Sprengen von Geldausgabeautomaten ist seit wenigen Jahren ein Kriminalitätsphänomen, das den ‚klassischen‘ Banküberfall nahezu abgelöst hat“, erklärt David Fritsch, Pressesprecher des LKA Baden-Württembergs. „Geldausgabeautomaten sind rund um die Uhr zugänglich und teilweise mit hohen Bargeldsummen bestückt. Das macht sie vor allem in Kommunen mit Autobahn- und Grenznähe zu attraktiven Angriffszielen für skrupellose Kriminelle.“
Mehr als nur Diebstahl
Anders als bei früheren Banküberfällen könnte man meinen, dass die Geldautomatensprengung weniger gefährlich sei. Die Sprengungen weisen aber ein erhebliches Gefahrenpotenzial auf. Denn die Explosionen verfügen über eine große Zerstörungskraft, die unbeteiligte Personen treffen kann. Zudem werden auch die Gebäude, in denen die Automaten stehen, stark beschädigt. Deshalb untersuchte das LKA-Team auch das Druck- und Splitterverhalten bei den Testsprengungen im Steinbruch.
„Das Druck- und Splitterverhalten ist in strafrechtlicher Hinsicht von Belang, da sich die konkreten Gefahren für unbeteiligte Personen auch auf das Strafmaß für die Täterinnen und Täter auswirken können. Aufgrund der Skrupellosigkeit und Gemeingefährlichkeit bei dieser Tatausführung kann bei einer dadurch verursachten Gefährdung von Personen auch die Prüfung eines versuchten Tötungsdeliktes in Betracht kommen“, so LKA-Pressesprecher David Fritsch.
Damit bei dem explosiven Experiment keine Unbeteiligten zu Schaden kommen, wählte das LKA-Team bewusst einen Steinbruch. Hier hatten sie ausreichend Platz sowie Ruhe für die Sprengungen und konnten so relevante Daten sammeln. „Unterstützt wurden unsere Entschärfungskräfte durch ein Expertenteam des Bundeskriminalamtes. Dieses filmte die Testsprengungen mit einer Highspeed-Kamera und lieferte so eindrückliche Details und Erkenntnisse, die helfen werden, die Sicherheitstechnik weiter zu optimieren“, führt David Fritsch die Szenerie im Steinbruch weiter aus.
Sicherheit für Banken
Die im Steinbruch gesammelten Daten sind aber nicht nur für strafrechtliche Verfahren entscheidend, auch Banken und Sparkassen profitieren von den Risiko- und Gefährdungsanalysen für die Geldautomaten. Die Testsprengungen sollen vor allem der Prävention dienen. „Durch Testsprengungen gelingt es uns insgesamt, bestehende Präventionskonzepte noch passgenauer auf die speziellen Erfordernisse dieses Phänomens und die Sicherheitsbedürfnisse der Banken und Sparkassen auszurichten", betont Fritsch.
Die Banken müssen zunehmend mit dem Phänomen Geldautomatensprengung kämpfen. Allein in Baden-Württemberg gab es im Jahr 2023 42 Fälle und 19 Versuche. Die Täter erbeuteten nach vorläufigen Zahlen über 1,9 Mio. €. In den Jahren davor wurde ähnlich viel Geld auf diese Weise gestohlen.
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