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Was Vliesstoffe alles können

Eine der Hauptaufgaben des IVG – Industrieverband Geokunststoffe e.V. – ist die Aufklärung über die Einsatzmöglichkeiten von Geokunststoffen und deren richtige Anwendung. Detaillierte Angaben finden sich im „Merkblatt über die Anwendung von Geokunststoffen im Erdbau des Straßenbaus“ (M Geok E).

Was sind Geokunststoffe? Geokunststoffe sind Flächengebilde, die vollständig oder zu wesentlichen Teilen aus polymeren Werkstoffen (Synthesestoffen) hergestellt werden und in nahezu allen Gebieten der Geotechnik (Erd-, Tief-, Grund-, Deponie- und Wasserbau) Anwendung finden.

Wesentliche Funktionen von Geokunststoffen sind:

  • Trennen: hartes Schüttmaterial von weichem Untergrund.
  • Filtern: Wasser durchlassen, Bodenteilchen zurückhalten.
  • Bewehren: Erde als Stützkonstruktion oder in der Fläche verstärken.
  • Dränen: Wasser ableiten.
  • Schützen: empfindliche Oberflächen gegen mechanische Beanspruchung.
  • Erosionsschutz: Bodenabtrag durch Wasser und Wind verhindern.
  • Dichten: wasserundurchlässige Schicht einbauen.

Vliesstoffe

Vliesstoffe können sich in Abhängigkeit von ihrer Dehnbarkeit einer unebenen Unterlage gut anpassen. Sie folgen einer unregelmäßig geformten Grenzfläche zwischen einem nachgiebigen Untergrund und einer unterschiedlich einsinkenden, auch steinigen Schüttung. Bei einem örtlichen Bruch, etwa beim Durchdrücken eines Steines, legen sich bei Vliesstoffen mit hoher Dehnbarkeit die Fasern um die Steine herum, ohne das Gefüge des umgebenden Vliesstoffs zu zerstören [1].

Aufgrund dieser Eigenschaften werden Vliesstoffe überwiegend als Trennschicht und Filter eingesetzt. Durch die regellos angeordneten Fasern (Wirrlage) sind die mechanischen Eigenschaften weitgehend richtungsunabhängig. Dies trifft jedoch nicht auf alle Vliesstoffe zu, da durch teilgerichtete Ablage der Fasern und/oder durch Verstrecken der Vliesstoffe im Produktionsprozess Richtungsabhängigkeiten erzeugt werden können.

Eine relativ hohe Dehnbarkeit entsteht dadurch, dass bei einer Zugbeanspruchung nur ein Teil der Fasern sofort gespannt wird, andere orientieren sich in Zugrichtung um. Zu beachten ist, dass nach dem Einbau die Einlagerung von Bodenteilchen die Dehnung in Zugrichtung deutlich reduzieren kann [1, 2].

Die Reibung und Haftung zwischen Boden und Vliesstoff ist im Wesentlichen von der Wechselwirkung Boden/Oberflächenstruktur des Vliesstoffs abhängig und der großflächigen Anpassungsfähigkeit an die Unebenheit der Unterlage.

Die filtertechnischen Eigenschaften werden durch die charakteristische Öffnungsweite (für das Bodenrückhaltevermögen) und die Wasserdurchlässigkeit bestimmt. Dabei gilt für Vliesstoffe:

  • durch Zusammendrücken und Deh­nung wird die charakteristische Öffnungsweite nur unwesentlich verändert,
  • die Verringerung der Wasserdurchlässigkeit durch Auflast und durch Bodeneinlagerung ist bei der filtertechnischen Bemessung zu beachten [1].

Dicke Vliesstoffe können auch zur Abführung von Wasser in ihrer Ebene benutzt werden [1]. Zum Schutz von Kunststoffdichtungsbahnen gegen mechanische Beanspruchung können ebenfalls dicke Vliesstoffe eingesetzt werden.

Welche Produkte werden angeboten?

Vliesstoffe entstehen durch die Verfestigung von Vliesen (Matten) aus flächenhaft aufeinander abgelegten Fasern. Werden diese Fasern im Produktionsverfahren endlos hergestellt, entstehen Filamentvliesstoffe. Kommen bei der Produktion 3 bis 15 cm lange Faserstücke (Spinnfasern, Stapelfasern) zum Einsatz, entstehen Spinnfaservliesstoffe.
Die Verfestigung der zunächst lose aufeinanderliegenden Faser kann unterschiedlich erfolgen: mechanisch, z.B. durch Vernadeln oder Vernähen, und/oder kohäsiv, z.B. durch thermische Einwirkung, und/oder adhäsiv, z.B. durch Bindemittel.

Als Rohstoffe kommen für Vliesstoffe überwiegend Polypropylen(PP) und Polyester (PET) zum Einsatz. Der Rohstoff, die Art der Fasern und der Verfestigung können die Eigenschaften der Vliesstoffe wesentlich beeinflussen.

Funktion Trennen

Anforderungen: mechanische Festigkeit; Dehnfähigkeit, Robustheit (Einbau), anwendungsbezogene Öffnungsweite und Alterungsbeständigkeit.
Die wesentlichen Produkteigenschaften werden definiert in Geotextilrobustheitsklassen (GRK).

Geotextilrobustheitsklassen für das Trennen, Filtern und Schützen
Die Produkte müssen eine für die jeweilige Anwendung ausreichende Robustheit aufweisen. Als Robustheit wird die Widerstandsfähigkeit gegen die Beanspruchung durch Schüttmaterial, Baubetrieb und den Gebrauch verstanden. Für die Funktionen Trennen, Filtern und Schützen wird die Robustheit durch die Geotextilrobust­heitsklassen (GRK) charakterisiert. Die Eignung für eine bestimmte Baustelle kann auch durch einen Einbauversuch mit den tatsächlichen Einbaubedingungen nachgewiesen werden[1]. GRK 1 und GRK 2 sind für den Erdbau des Straßenbaus nicht geeignet.

Bestimmung der GRK für Vliesstoffe

Der Klassenwert der GRK ergibt sich aus dem 5%-Mindestquantil der Stempeldurchdrückkraft erf. FP, 5% und dem 5%-Mindestquantil der Masse pro Flächeneinheit erf. m A, 5% (siehe Tabelle 2) [1].

Der Umfang der Beanspruchung eines Geotextils auf einer Baustelle wird bestimmt durch die Bodengruppe des Schüttmaterials, die Untergrundfestigkeit und den Baubetrieb.
Im Merkblatt über die Anwendung von Geokunststoffen im Erdbau des Straßenbaus, M Geok E, Ausgabe 2016, herausgegeben von der FGSV [1], findet sich in Kapitel 7.5 „Feststellung der mechanischen Beanspruchung durch Schüttmaterial und Baubetrieb“ die ausführliche Anleitung zur Feststellung der erforderlichen GRK des auf der Baustelle eingesetzten Vliesstoffs. Die Ermittlung erfolgt anhand von Tabellen. Eine Berechnung ist nicht erforderlich.

Funktion Filtern in Bauwerken

Anforderungen, wesentliche Produkteigenschaften: hohe Wasserdurchlässigkeit, mechanische und hydraulische Filterstabilität, Öffnungsweite, Verhinderung der Kolmation (Zusetzen des Filters), mechanische Mindestfestigkeit (für Transport) sowie Dicke.

Beim Einsatz von Vliesstoffen als Filter sind folgende Anforderungen zu berücksichtigen [1]:

  • Mechanische Filterwirksamkeit (Bodenrückhaltevermögen).
  • Anforderungen an den Mittelwert der charakteristischen Öffnungsweite gew. O90 für Trennschichten: bei Vliesstoffen 0,06 mm ≤ gew. O90 ≤ 0,20 mm
  • Hydraulische Filterwirksamkeit (Wasserdurchlässigkeit)

Der Filter muss in eingebautem Zustand mindestens die Wasserdurchlässigkeit des zu entwässernden Bodens kf besitzen, um schädlichen Rückstau zu vermeiden. Diese Bedingung gilt als erfüllt, wenn der Wasserdurchlässigkeitsbeiwert k V, 5% des neuwertigen Geotextils größer ist als der des zu entwässernden Bodens, kV, 5% gt; kf und mindestens kV, 5% = 1* 10-4 m/s beträgt [1].

Detaillierte Angaben, insbesondere zu den hydraulischen Sicherheitsfällen II und III finden sich in Kapitel 5.2 des Merkblatts[1].

Funktionen Schützen in Bauwerken

Die Schutzwirksamkeit von Schutzschichten für Kunststoffdichtungsbahnen wird vom Hersteller durch Druckbelastung mit dem verwendeten Boden geprüft. Dabei gelten die Anforderungen an Schutzlagen in Oberflächenabdichtungssystemen nach Empfehlung DGGT – GDA-E-3-9. In Fällen, bei denen Dichtungsschichten nicht befahren werden, kann die Schutzwirksamkeit, bezogen auf den beanspruchenden Boden, nach der Schutzlagendicke abgeschätzt werden. Es ist das 5%-Mindestquantil O20, 5% der Schutzlagendicke, gemessen bei einer Auflast von 20 kPa, heranzuziehen [1]. Detaillierte Angaben finden sich im Merkblatt über die Anwendung von Geokunststoffen im Erdbau des Straßenbaus, M Geok E, Ausgabe 2016, in Kapitel 7.2.6.3.

Für die Schutzlage ist die GRK 5 erforderlich. Die geforderte Schutzschichtdicke kann auch durch das Aufeinanderlegen mehrerer dünnerer Geotextilien erreicht werden.
Anforderungen, wesentliche Produkteigenschaften: robust, große Dicke/hohe Flächenmasse, hohe chemische und mikrobiologische Beständigkeit.

Auf folgende Anforderung für alle Geokunststoffe ist zu achten:

  • Langzeitbeständigkeit [1]: Der Hersteller muss aufgrund von im Anhang Beständigkeit zu DIN EN 13249ff und DIN EN 13361 ff (normativ) vorgegebenen Untersuchungen und Prozeduren die Dauerhaftigkeit seiner Produkte für 5 bzw. für 25, 50 und 100 Jahre nachweisen und die mögliche Nutzungsdauer in der Leistungserklärung/DoP angeben.
  • Witterungsbeständigkeit [1]: Der Hersteller muss in seiner Leistungserklärung angeben, nach welcher Zeit nach dem Auslegen sein Produkt spätestens vor der Witterung geschützt werden muss (höchstzulässige Freiliegedauer).
  • Beständigkeit gegen mikrobiologische Angriffe [1]: Die Anforderung nach DIN EN 13249 ff. Anhang „Beständigkeit“ und DIN EN 13361 ff sind einzuhalten.

Güteüberwachung

CE Kennzeichnung DIN EN 13249 ff, DIN EN 13361 ff: Geokunststoffe nach dem Merkblatt M Geok E müssen eine CE-Kennzeichnung besitzen. Diese Kennzeichnung muss nach der Bauproduktenverordnung/Construction Products Regulation (CPR) auf Grundlage harmonisierter Normen oder einer europäischen technischen Bewertung/European Technical Assessment (ETA) erfolgen.

Qualitätssicherung der Produktion: Die Normenreihen DIN EN 13249 ff und 13361 ff regeln die Qualitätssicherung beim Hersteller durch die werkseigene Produktionskon­trolle (FPC – factory production control) und deren Zertifizierung durch eine zugelassene Stelle nach dem Konformitätsverfahren 2+ der Bauproduktenverordnung.

Kennzeichnung des Produkts: Alle zum Einbau kommenden Produkte müssen eindeutig und einheitlich gekennzeichnet sein. Die Kennzeichnung muss fortlaufend, z.B. als Rollenaufdruck auf der Bahn am Rand oder als Farbmarkierung, erfolgen. Diese Kennzeichnung muss gut erkennbar und beständig sein und sich mindestens alle 5 m wiederholen.

Rollenetikett DIN EN ISO 10320: Jeder Rolle ist mindestens ein Rollenetikett beizugeben, das folgende Angaben enthält: Hersteller und/oder Lieferant, Produktname, Typenbezeichnung, Identifikation einer Einheit (Rollennummer), Masse je Flächeneinheit, Art des Produktes, Hauptrohstoffe des Produktes, Länge und Breite sowie Rollengesamtgewicht.

Das Produktzertifikat

Eine über den Nachweis der Güteüberwachung im Sinne des Merkblattes M Geok E hinausgehende freiwillige Güteüberwachung kann mit der Produktzertifizierung des IVG erfolgen. Mit dem Produktzertifikat wird bestätigt, dass die vom Hersteller in der Leistungserklärung angegebenen Werte freiwillig überwacht und bestätigt wurden. Für den Anwender bedeutet dies wesentlich weniger Aufwand für die Baustoffeingangsprüfung und höhere Sicherheit.

Umweltschonendes Bauen mit Geokunststoffen

In grundlegenden Studien sind die Bauweisen, die die vielfältigen Möglichkeiten von Geokunststoffen nutzen, untersucht und mit konventionellen Bauweisen verglichen worden. Die Ergebnisse der Studien lassen folgende Aussagen zu:

  • Bei der Anwendung von Geokunststoffen in einer Dränschicht für die Deponie-Oberflächenabdichtung beträgt die Reduktion der CO2-Emission 65 bis 70% und die des kumulierten Energieaufwands 50 bis 60%.
  • Bei der Bodenstabilisierung beträgt die Reduktion der CO2-Emission durch Geokunststoffe 10 bis 15% gegenüber herkömmlichen Konstruktionen mit Tragschichten aus Kies oder Schotter. Im Vergleich zur Anwendung von Zement oder Kalkstabilisierung beträgt die Reduktion 30 bis 35%. Die Reduktion des kumulierten Energieaufwands beträgt bis zu 64%
  • Die Reduktion der CO2-Emission bei der Anwendung einer mit Geokunststoff bewehrten Stützkonstruktion im Vergleich zu einer Betonkonstruktion beträgt 80 bis 85%, der Energieverbrauch wird um 70 bis 75% reduziert.
  • Wird ein mineralischer Kiesfilter im Straßenbau durch eine Filterschicht aus Geokunststoff ersetzt, beträgt die Reduktion der CO2-Emission 80 bis 90%. Der kumulierte Energieaufwand wird in derselben Größenordnung reduziert.

Zusammenfassung

Der Artikel hat einen Überblick zu den Anwendungsmöglichkeiten von Vliesstoffen im Erd- und Grundbau und Hinweise zu Produktauswahl und Qualitätsmerkmalen gegeben. Wesentliche Bestandteile dieser Veröffentlichung basieren auf dem Merkblatt M Geok E – Merkblatt über die Anwendung von Geokunststoffen im Erdbau des Straßenbaus, Ausgabe 2016 [FGSV-Nr. 535]. Allen Anwendern von Geokunststoffen wird die Anschaffung des Merkblatts empfohlen. Es kann beim FGSV Verlag bezogen werden.

Regelwerke und Literatur
Merkblatt über die Anwendung von Geokunststoffen im Erdbau des Straßenbaus, M Geok E, Ausgabe 2016, FGSV 535.
Technische Lieferbedingungen für Geokunststoffe im Erdbau des Straßenbaus TL Geok E-StB, Ausgabe 2017, FGSV 459.
Anwendung von Geotextilien im Wasserbau. DWA-M 511.
[1] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau, ZTV E-StB 17, FGSV 599.
[2] TM 207-058a I.NVT(K) – Umsetzung der Prüfungsbedingungen für Geokunststoffe des Eisenbahnbundesamtes.

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