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Abgestaubte Vorschriften

Seit 1. Januar sind neue Arbeitsplatzgrenzwerte vorgeschrieben, deren Einhaltung auch in Steine- und Erdenbetrieben überprüft wird. Wir fragten den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes MIRO Walter Nelles, was die neuen Vorschriften bedeuten.

Walter Nelles, stellvertretender Hauptgeschftsfhrer des Bundesverbandes MIRO
Walter Nelles, stellvertretender Hauptgeschftsfhrer des Bundesverbandes MIRO
Reifenwaschanlagen sorgen fr saubere Straen und helfen dabei, die Luft von Staub zu befreien.Foto: Foto: Frutiger

Seit 1.1.2019 gelten neue Grenzwerte für Staub am Arbeitsplatz und zwar 1,25 mg/m³. Gilt dies auch für die Steine- und Erden-Industrie?

Walter Nelles: Seit 01.01.2019 gilt der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für die alveolengängige Staubfraktion (A-Fraktion) von 1,25 mg/m³ und zwar unmittelbar. Warum erwähne ich das? Dieser Grenzwert ist schon seit der Veröffentlichung in der TRGS 900 im Februar 2014 in Kraft, allerdings gab es Ausnahmeregelungen, die zum 31. Dezember 2018 ausgelaufen sind. Ja, er gilt auch für die Steine- und Erden-Industrie.

Wie sehen/sahen denn diese Ausnahmen aus?

Walter Nelles: Die Diskussionen um die Festsetzung eines neuen Staubgrenzwertes und dessen Höhe zogen sich in den Fachexpertengremien über viele Jahre hin und manifestierten sich dann in einem Vorschlag für einen MAK-Wert (maximale Arbeitsplatzkonzentration) in Höhe von 0,3 mg/m³. Der damalige Grenzwert für die A-Fraktion lag bei 3 mg/m³ und es hatte den Anschein, dass hiermit eine Verschärfung um den Faktor 10 einhergehen würde. Dann wurde der MAK-Wert auf 0,5 mg/m³ korrigiert und musste noch mit der Dichte korreliert werden, da er sich auf einen Stoff der Dichte 1 bezog. „Gesteinsstaub“ hat durchschnittlich die Dichte 2,5, so dass sich aus der Korrelation ein Arbeitsplatzgrenzwert in Höhe von 1,25 mg/m³ ergab. Den Fachleuten war bewusst, dass es sich hierbei um einen ambitionierten Grenzwert handelte, so dass einerseits Ausnahmeregelungen verabschiedet wurden, die für einen Übergangszeitraum die Ausschöpfung des zurückgezogenen Grenzwertes (3 mg/m³) zuließen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Andererseits beschloss der Ausschuss für Gefahrstoffe die Einsetzung eines Gremiums zur Erarbeitung der TRGS 504 (Exposition gegenüber A- und E-Staub), um für die Unternehmen konkrete Hilfestellungen zu erarbeiten. Hieran hat MIRO von Beginn an mitgewirkt.

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Ausnahmeregelungen – Wie muss ich mir die vorstellen?

Walter Nelles: Voraussetzung war die Einhaltung der Vorschriften der Gefahrstoffverordnung, der Nachweis des Einsatzes von branchenüblichen Verfahrens- und Betriebsweisen und letztlich die Vorlage eines Schutzmaßnahmenkonzeptes mit der Zielstellung, den „neuen“ AGW für die Staubfraktion innerhalb des Übergangszeitraumes einhalten zu können – nur um hier die Wichtigsten zu nennen.

Hat Ihr Verband den Mitgliedsunternehmen denn auch weitere Hilfestellungen geben können?

Walter Nelles: Ja, das haben wir. Wir haben einerseits an der Erarbeitung der TRGS 504 mitgearbeitet und darüber hinaus haben wir sowohl für den Naturstein-, als auch Kies-Sand-Bereich eine sogenannte „branchen- oder tätigkeitsspezifische Hilfestellungen“ erarbeitet, indem wir den Mitgliedunternehmen alle notwendigen Informationen bereitgestellt haben, wie man an verschiedenen Arbeitsplätzen die Staubsituation verbessert und wie letztlich ein Schutzmaßnahmenkonzept aussehen kann. Wir haben auch die branchenüblichen Verfahrens- und Betriebsweisen definiert. Die natursteinspezifische Hilfestellung war ein „Prototyp“ und wurde vom Gremium zur Erarbeitung der TRGS 504 allen anderen Branchen zur Adaption empfohlen.

Was genau ist denn nach den „neuen“ Vorschriften zu beachten?

Walter Nelles: Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass der Staubgrenzwert an den Arbeitsplätzen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschritten ist. In Ausnahmesituationen darf dieser Grenzwert um das Achtfache überschritten werden, allerdings nur bis zu vier Mal pro Schicht und das jeweils nur für max. 15 Minuten. Weitere Expositionen sind dann nicht mehr zulässig. Für die Feststellung der Expositionshöhe gibt es ebenfalls „genormte“ Vorschriften. Für kleine Betriebe empfiehlt es sich, hierzu auf die Dienstleistungen der zuständigen Berufsgenossenschaft oder anderer Institutionen zurückzugreifen, die sich hiermit auskennen.

Überprüft der Gesetzgeber die Einhaltung der Grenzwerte? Was droht bei Überschreitung?

Walter Nelles: Aufsichtsbehörden wie Gewerbeaufsichtsämter, staatliche Ämter für Arbeitsschutz oder Bergämter lassen sich die Messberichte über Arbeitsplatzmessungen vorlegen. Bei Betriebsbegehungen werden schon einmal Messungen für vorgefundene staubrelevante Arbeitsbedingungen nachgefordert, um die Einhaltung des Grenzwertes nachzuweisen. Bei Überschreitung des Grenzwertes muss der Unternehmer Abhilfe schaffen. Hierzu sollte er sich am sogenannten Stop-Prinzip orientieren. S steht für Substitution, man überprüft die Möglichkeit, ob staubintensive Prozesse substituiert werden können. T steht für Technik und befasst sich mit Fragestellungen, wie durch technische Maßnahmen die Staubentstehung und -ausbreitung minimiert oder in Gänze unterdrückt werden kann. Gegebenenfalls kommen auch organisatorische Maßnahmen (O) in Frage. Der Unternehmer oder sein für den Gesundheitsschutz verantwortliches Fachpersonal prüft, ob durch organisatorische Maßnahmen die Staubexposition der Mitarbeiter minimiert werden kann. Erst zuletzt darf der Arbeitgeber sich mit persönlichen Schutzmaßnahmen (P) befassen, wie etwa das Tragen von Staubschutzmasken etc.

Werden die Grenzwerte von der Steine- und Erden-Industrie bereits eingehalten oder müssen viele Unternehmen nachrüsten?

Walter Nelles: Auch wenn der neue Staubgrenzwert ein ambitionierter Wert ist, so ist er nicht „vom Himmel gefallen“. Vor rund 20 Jahren lag der Wert bei 6 mg/m³, wurde dann auf 3 mg/m³ abgesenkt und nun beträgt er 1,25 mg/m³. Einher ging damit die Entwicklung verbesserter Staubschutztechnik und die Sensibilität der Unternehmen stieg. Zudem haben wir in vielen Betrieben die spezielle Situation, dass auch zur Reduzierung der Quarzfeinstaubexposition am Arbeitsplatz Staubschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Von daher sind sehr viele Unternehmen heute schon gut aufgestellt.

An Bandbergabestellen staubt es besonders stark. Abhilfe kann die Seitenabdichtung Airscrape bieten.Foto: Foto: Scrapetec Trading GmbH

Welche Techniken zur Staubbindung gibt es und welche Vor- und Nachteile haben diese?

Walter Nelles: Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Staubsituation am Arbeitsplatz zu verbessern. Hierzu zählen Staubkapselung, Staubabsaugung sowie Staubbindung, um die gängigsten Arten zu nennen. Gelegentlich werden aber auch andere Maßnahmen eingesetzt wie etwa das Aufbringen von Magnesiumchloridlösungen auf Freiflächen, um so den Staub zu binden. In unseren branchenspezifischen Hilfestellungen – die übrigens beide von der BG RCI evaluiert und veröffentlicht wurden – haben wir zahlreiche Maßnahmen für konkrete Arbeitsplätze beschrieben. Diese gelten natürlich heute nach wie vor und können von den Unternehmen als „Erkenntnisquelle“ zur Optimierung ihrer Staubsituation herangezogen werden. Zudem haben wir ein MIRO-Info erstellt, in dem wir verschiedene Techniken zur Staubbindung vorstellen. (Interview: Ute Schroeter)

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