Unbeliebte Großbatterien
Während die Energiewende in vollem Gange ist, hat noch niemand eine zufriedenstellende Lösung für die Speicherung von überschüssigem Strom aus Solar- oder Windkraft gefunden. Sind Pumpkraftspeicherwerke die Lösung?
Ehrgeizige Ziele hatte die Bundeskanzlerin da formuliert: Bis zum Jahr 2020 sollten eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren, so Angela Merkel im Mai 2011. „Ab dem Jahr 2015 gibt es nur noch Elektroautos oder Hybridfahrzeuge“, hatte gar der erste Satz eines Artikels in der „Welt“ vom 26. Juni 2008 gelautet. Diese Visionen sind mittlerweile in unerreichbare Ferne gerückt, nicht einmal 20.000 elektrisch betriebene Pkw waren im Januar 2015 zugelassen und Mattias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), erklärte jüngst: "Der Elektromobilität steht ihre beste Zeit noch bevor." Auch bei den Hybridfahrzeugen ist der Boom bislang ausgeblieben. Diese Entwicklung liegt nicht etwa daran, dass den Deutschen das Umweltbewusstsein fehlt oder eine Technikfeindlichkeit vorherrscht. Das Volk ist einfach gern mobil und möchte nicht nach einer Wegstrecke von nur 200 oder 300 Kilometern stehen bleiben. Das Grundproblem der Elektromobilität ist nach wie vor die Leistungsfähigkeit der Batterien.
Die Problematik der Stromspeicher ist auch die große Herausforderung bei der Umsetzung der Energiewende. Wenn der überwiegende Teil der Energie nicht mehr durch fossile und atomgetriebene Kraftwerke sondern durch Solar- oder Windkraftanlagen produziert wird, dann muss überschüssige regenerative Energie zwischengespeichert und bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden. Hierzu können verschiedenen Speichertechnologien eingesetzt werden.
In Druckluftspeicherkraftwerken wird mit Hilfe der überschüssigen Energie Luft unter Druck in einen Speicher gepumpt, die dann bei Bedarf in einer Gasturbine Strom produziert. Diese diabaten (Wärme mit ihrer Umgebung austauschenden) Druckluftspeicher werden auch D-CAES-Kraftwerke genannt. Daneben werden derzeit adiabate Druckluftspeicher (A-CAES) entwickelt. In ihnen wird die Kompressionswärme gespeichert und genutzt, eine Erdgaszufeuerung ist daher nicht nötig. Ein weiteres Speicher-Verfahren ist Power-to-Gas. Durch Wasserelektrolyse wird der Strom aus erneuerbaren Energien in ein Brenngas umgewandelt.
Aus der Studie “Stromspeicherpotenziale für Deutschland“, die mehrere Institute der Universität Stuttgart im Juli 2012 veröffentlicht haben, geht allerdings hervor, dass der Wirkungsgrad diabater Druckluftspeicher bei nur 54 % und der adiabater Druckluftspeicher bei 60 bis 70 % liegt. Die niedrigsten Wirkungsgrade mit 36 bis 45 % weisen Power-to-Gas-Speicher auf. In der Studie waren die Kosten der Rückspeisung von Energie aus dem Speicher in das Stromnetz inklusive der im Speicherbetrieb auftretenden Verluste und der Strombezugskosten berechnet worden. Die „Gewinner“ der Studie waren mit einem Wirkungsgrad von 80 bis 90 % mobile Batteriespeicher und Pumpspeicher.
Pumpspeicherkraftwerke gelten derzeit als die einzige Großtechnik, die in der Lage ist, überschüssigen Strom dauerhaft zu speichern. Das Funktionsprinzip ist relativ einfach: Benötigt werden zwei Wasserbassins, wobei das Speicherbecken höher gelegen ist, als das Tiefbecken. Wenn ein Stromüberangebot besteht, wird das Wasser über Rohre vom Tief- in das Speicherbecken gepumpt. In Zeiten eines Strombedarfs, wird das Wasser wieder nach unten abgelassen. Dadurch werden Turbinen angetrieben, die diese Energie in Strom umwandeln. In Sekundenschnelle fließt der Strom ins Netz - schneller als bei jeder anderen Technologie.
Neu ist dieses Verfahren nicht. Bereits in den 1920er Jahren wurden in Deutschland Pumpspeicherkraftwerke wie das Koepchenwerk im nordrhein-westfälischen Herdecke realisiert und schon vor der industriellen Revolution nutzte man Windmühlen, um Wasser in höhere Lagen zu pumpen, das wiederum Wassermühlen und somit Maschinen antrieb.
Das Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth im Harz wurde 1967 in Betrieb genommen. Heutiger Betreiber ist der Energiekonzern Vattenfall, der in Sachen-Anhalts einziges Pumpkraftspeicherwerk zwischen 2012 bis 2014 ganze 40 Millionen Euro investiert hat. Die beiden Turbinen verfügen nun über eine Nenndurchflussmenge von 39 m³/s und entwickeln bei einer Fallhöhe von 126 Metern eine Leistung von je 40 Megawatt. „Das Pumpspeicherwerk Wendefurth spielt eine wichtige Rolle in unserer Strategie als Partner der erneuerbaren Energien. Die Anlage ist jetzt flexibler steuerbar und der Betrieb der Anlage erfolgt jetzt effektiver. Kurzum: Wendefurth ist jetzt und für die kommenden Jahrzehnte fit für die Energiewende“, sagte Dr. Hartmuth Zeiß, Vorstandsvorsitzender der Vattenfall Europe Mining AG und Vattenfall Europe Generation AG, anlässlich der Wiedereröffnung.
Die Betreiber der 22 deutschen Pumpspeicherkraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 6,3 Gigawatt hoffen darauf, dass der Gesetzgeber die regulatorischen Rahmenbedingungen ändern wird, „da bestehende Pumpspeicher durch die Belastung durch Netznutzungsentgelte auf Pumpstrom wirtschaftlich benachteiligt sind, weil sie nach wie vor als Letztverbraucher betrachtet werden“, so Dr. Hartmuth Zeiß. Vielmehr müssten sie „als Speicher für die weiter wachsenden erneuerbaren Energien und als Garant für die Netzstabilität“ eingestuft werden.
Diese finanzielle Benachteiligung ist nicht das einzige Problem, dem sich die Betreiber ausgesetzt sehen. Sobald ein Pumpspeicherkraftwerk geplant wird, kämpfen Bürgerinitiativen regelmäßig dagegen an. Sie wehren sich gegen den erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild und die Vernichtung von Flora und Fauna. In den betonierten Speicherbecken sei kein natürlicher Bewuchs möglich. Letztlich gibt es auch Befürchtungen, dass Dämme brechen oder Rohrbrüche zu Überschwemmungen führen könnten. Dass manche Gegner die Anlagen aufgrund des Wirkungsgrads von unter Eins „Energievernichter“ nennen, greift – wie weiter oben dargestellt – im Vergleich zu den anderen Speichertechnologien nicht.
Gut 1,6 Milliarden Euro wird das Pumpspeicherkraftwerk kosten, das bei Atdorf im südlichen Schwarzwald geplant ist. Das Planfeststellungsverfahren wird voraussichtlich im Herbst 2015 eröffnet. Auch hier fürchtet die örtliche Bürgerinitiative den massiven Eingriff in die Natur, formuliert jedoch auch wirtschaftliche Bedenken: Ein rentabler Betrieb sei nur mit Subventionen aus Steuergeldern möglich. Ursprünglich wollten die Energiekonzerne ENBW und RWE das Projekt gemeinsam angehen, RWE zog sich im Frühjahr 2014 allerdings zurück. „Pumpspeicherkraftwerke rechnen sich nicht“, begründete RWE den Ausstieg laut FAZ vom 30. April 2014.
Auch im Bayerischen Wald, dort wo der Berg Osser die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien markiert und die Landschaft weitgehend unberührt ist, soll ein Pumpspeicherkraftwerk entstehen. Der Speichersee soll laut Recherchen der „Mittelbayerischen Zeitung“ 300 bis 400 Meter lang und 50 bis 60 Meter breit sein. Die Druckwasserleitung in den Ort Engelshütt wird wahrscheinlich mehrere Kilometer lang sein.
Eine recht verwegene Idee war Bestandteil der ersten Planungen zum Bau des Pumpspeicherkraftwerks Heimbach am Niederrhein. Hier sollte das Oberbecken auf einer Höhe von 600 Meter am Berg Franzosenkopf entstehen und der Rhein als Unterbecken fungieren. Dies wurde schließlich verworfen, da das Konzept den Schiffsverkehr auf Deutschlands längstem Fluss stark beeinträchtigt hätte. Das Unterbecken soll nun auf einer Teilfläche des bestehenden Steinbruchs der Hartsteinwerke Sooneck bei Trechtingshausen erbaut werden. Mitte 2011 hatten die Stadtwerke Mainz ihre Zukunftsidee erstmals öffentlich präsentiert. Das Unternehmen setzte von vornherein auf Offenheit und holte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ins Boot, die im Auftrag der Stadtwerke den Dialog mit Umweltverbänden und der Öffentlichkeit führt. Der hier eingeschlagene Weg zahlt sich offenkundig aus: „In den vergangenen zwei, drei Jahren ist in vielen Gesprächen mit Bürgern, Behörden und engagierten Vertretern von Umweltverbänden aus einer Projektidee ein konkretes Vorhaben geworden“, sagte Stadtwerke-Vorstand Detlev Höhne im März 2014.
Aufgrund der öffentlichen Diskussion wurde das Projekt in einigen wichtigen Punkten optimiert. Ursprünglich wurde mit einer Leistung von 400 bis 600 Megawatt geplant, diese wurde dann auf 280 bis 320 Megawatt reduziert. Im FFH-Gebiet kann somit ein kleineres Oberbecken naturverträglicher auf dem Franzosenkopf angeordnet werden. Abgesehen von Ober- und Unterbecken werden alle Anlagenteile unter der Erde liegen, insbesondere das Kraftwerk, Transformatoren, Schaltanlage und Wasserwege.
Im Herbst 2014 hat die zuständige Genehmigungsbehörde SGD Süd in Neustadt das Raumordnungsverfahren mit einem positiven Bescheid abgeschlossen. Noch 2015 soll eine Entscheidung über den Start des Planfeststellungsverfahrens getroffen werden. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für Mitte der 2020er Jahre geplant. Um die Bürger auf dem Laufenden zu halten, wurde eine Website eingerichtet, auf der die vollständigen Unterlagen zum Raumordnungsverfahren und weitere Informationen über das Pumpspeicherkraftwerk für unbegrenzte Zeit einsehbar sind.
Die geringsten Störungen des Landschaftsbilds verursachen Pumpspeicherkraftwerke, wenn sie unsichtbar sind. Dr. Siegfried Klingebiel, seinerzeit Geschäftsführer der Barbara Erzbergbau GmbH, Porta Westfalica, berichtete auf der im Februar 2012 vom Baustoffverband vero veranstalteten Fachtagung „Kies, Sand, Naturstein“ von Plänen zur Errichtung eines unterirdischen Pumpspeicherkraftwerks. Von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Realisierung eines derartigen Projektes seien geologische Voraussetzungen in Form von extrem hohen Gebirgsfestigkeiten sowie sehr gutem Wasserhaltevermögen der gesamten geologischen Formation. Diese seien im Bergwerk Wohlverwahrt-Nammen der Barbara Erzbergbau GmbH gegeben.
In der Formation des Korallenoolith ist ein Eisenerzflöz mit einer Mächtigkeit bis zu 25 Meter eingebettet. Hangendes und Liegendes dieses Flözes bestehen aus hartem, standfesten Kalkstein. Das Vorkommen ist durch eine bis 100 Meter mächtige Mergel- und Tonschicht überdeckt und liegt auf einer rund 50 Meter dicken Tonschicht. Diese nahezu wasserdichten Schichten ermöglichen die untertägige Mineralgewinnung in trockenen Grubenbauen. Das Material wird durch Bohren und Sprengen gewonnen. Zwischen 400.000 und 500.000 Tonnen Zuschlagstoffe für den Verkehrswegebau werden jährlich in Nammen produziert. Der hergestellte bergmännische Hohlraum wird vornehmlich mit Steinkohlenflugaschen aus den Kraftwerken Nord- und Westdeutschlands verfüllt. Wie Dr. Klingebiel ausführte, sollte in der Realisierungsphase innerhalb von zwölf Jahren die komplette untertägige Infrastruktur für ein Pumpspeicherkraftwerk hergestellt werden, bestehend aus zwei Kavernen mit jeweils 1. 000.000 m² Speicherinhalt, bei einer Höhendifferenz von 300 Metern, der Maschinenkammer, dem Druckstollen sowie dem Versorgungsschacht. Dazu müssten lediglich die Abmessungen der Abbaukammern erhöht werden. Jede Kaverne würde schließlich aus vier bis fünf Kammern mit einer Breite von 10 Metern, einer Höhe von 20 Metern und einer Länge von 1,5 Kilometern bestehen.
Bevor gemeinsam mit der Technischen Universität Clausthal und dem Energieversorger EON im Rahmen der „Förderinitiative Energiespeicher“ die Forschungsförderung beantragt werden sollte, formulierte EON jedoch wirtschaftliche Bedenken. „Daraufhin haben wir das Projekt auf Eis gelegt und konzentrieren uns nun auf das, was wir am besten können - die Rohstoffgewinnung“, so Florian Garbe, Betriebsleiter der Barbara Erzbergbau GmbH. Daran, dass „dieses schöne Projekt“ nun in der Schublade liegt, werde sich so schnell nichts ändern, denn „solange die Politik keine Vergütung für die Speicherung der Energie festlegt, rechnet es sich einfach nicht“.
Grundsätzlich vom Tisch ist die Idee unterirdischer Pumpspeicherkraftwerke keineswegs. Der Bergbaukonzern RAG prüft nämlich gerade, ob sich das stillgelegte Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop für den Umbau zum Pumpspeicherkraftwerk unter Tage eignet. (David Spoo)
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