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Leitungen schützen, Bäume erhalten

Unterirdische Leitungen und Baumwurzeln werden nie Freunde. Das IKT und internationale Partner untersuchen gemeinsam, wie man sie auf Dauer auf Distanz halten kann.

Das soll verhindert werden: Was sind wirksame Alternativen zum vorsorglichen Fllen von Bumen?

Mirko Salomon, Jaap Bresser, Leo Bloedjes

Überall das gleiche Problem: Unterirdisch verlegte Leitungen und die Wurzeln der Stadtbäume teilen sich denselben Bodenraum und geraten immer wieder aneinander. In Deutschland genauso wie in den Niederlanden. In einem internationalen Forschungsprojekt untersuchen deshalb das IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur und das IKT Nederland gemeinsam mit der Stadt Almere (Niederlande), wie wirksame, ökologisch nachhaltige Konzepte gegen Konflikte zwischen Stadtgrün und unterirdischen Leitungen aussehen können.

?Wir brauchen wirksame, kologisch nachhaltige Konzepte zum Schutz von Bumen und Leitungen?, Mirko Salomon, M.Sc., Projektleiter im IKT.Foto: Foto: IKT

Sichere Leitungen unter der grünen Stadt

Almere liegt vor den Toren Amsterdams auf dem trockengelegten Grund des Ijsselmeers. Wegen des hohen Grundwasserspiegels sind die Platzverhältnisse unter den Straßen hier besonders beengt. Unterirdische Abwasserleitungen werden in Almere nur ungefähr 1 m unter Geländeoberkante eingebaut. Um beim Neubau von unterirdischen Leitungen späteren Wurzeleinwuchs zu vermeiden, wurden in der Vergangenheit vereinzelt Bäume im Bestand vorsorglich gefällt. In Zeiten des Klimawandels eine sehr unpopuläre Maßnahme, die man in Zukunft unbedingt vermeiden möchte. Daher ist die Gemeente Almere sehr an neuen Konzepten interessiert, die eine grüne Stadt und optimalen Schutz der Leitungen vor Wurzeleinwuchs vereinen.

Aus diesem Grund engagiert sich die Stadt stark in dem deutsch-niederländischen Forschungsprojekt „Wurzeleinwuchs an unterirdischen Leitungen“. In diesem Projekt untersuchen die Beteiligten, welchen Beitrag passive Schutzmaßnahmen zur Prävention von Wurzeleinwuchs in unterirdische Leitungen und Kanäle leisten können. Dazu werden ausgewählte Systeme in Langzeit-In-situ-Versuchen untersucht.

Internationales Projekt sucht Antworten: Kann Flssigboden Baumwurzeln von Leitungen fernhalten?Foto: Foto: IKT

Was wirkt wirklich?

Zu diesen Maßnahmen gehören laut DWA-Merkblatt DWA-M 162 „Bäume, unterirdische Leitungen und Kanäle“, das textgleich mit DVGW GW 125 und FGSV Nr. 939 ist, u.a.

• der Einsatz porenraumarmer Verfüllstoffe im Rohr- oder Leitungsgraben,

• der Einbau von Mantelrohren (Schutzrohren) um die Leitung,

• der Einbau von Platten oder Folien im Leitungsgraben,

• die Auswahl wurzelfester Rohrverbindungen.

Ziel dabei ist es, entweder den Bettungsbereich der Leitungen für Wurzeln möglichst unattraktiv zu gestalten (porenarme Verfüllstoffe), das Wurzelwachstum in unschädliche Bereiche zu lenken (Platten und Folien) oder das Einwachsen in die Leitung zu verhindern (Mantelrohre und wurzelfeste Muffen). Ob diese Maßnahmen auch über einen längeren Zeitraum die Wurzeln von den Leitungen fernhalten und wirksam verhindern, dass Wurzeln um die Rohre herum oder in sie hinein wachsen, ist bisher kaum erforscht.

?Wir wollen unsere Bume erhalten und unsere Kanle optimal schtzen?, Leo Bloedjes, Gemeente Almere.Foto: Foto: IKT

Langzeituntersuchungen unter Meeresspiegel

Hier setzt das aktuelle Forschungsprojekt an: In einem Neubaugebiet in Almere werden solche Systeme unter wissenschaftlicher Begleitung an Entsorgungsleitungen eingebaut. Anschließend werden in unmittelbarer Nähe Bäume neu gepflanzt. Der Abschluss dieses ersten Projektschritts ist für die erste Hälfte des Jahres 2019 geplant. Im Jahr 2022 wollen die Wissenschaftler diese Schutzelemente wieder freilegen. Dann lässt sich erstmals deren Barriere-Funktion gegenüber wachsenden Baumwurzeln analysieren. Aus den Untersuchungsergebnissen leiten die Forscher schließlich erste Empfehlungen und Hinweise ab, die die Netzbetreiber bei der Auswahl geeigneter Wurzelschutzmaßnahmen konkret unterstützen. Darüber hinaus lassen sich aus diesen Langzeitbetrachtungen wertvolle Hinweise für die Entwicklung beziehungsweise Optimierung von Produkten und Systemen für den Wurzelschutz von Leitungen gewinnen.

Einblick in die Forschung: In Almere soll ein Leitungsgraben mit einer Glasplatte abgedeckt werden.Foto: Grafik: IKT

Wissenschaft im Blick der Öffentlichkeit

Und damit Wissenschaft nicht nur von der Öffentlichkeit unbemerkt hinter verschlossenen Türen – und unsichtbar unter der Erde – stattfindet, haben sich die Projektbeteiligten etwas Besonderes ausgedacht: An einem Leitungsabschnitt wird die Baugrube nicht vollständig mit Boden verfüllt und mit einer Glasabdeckung versehen. Passanten können so die Leitungen, Wurzeln und eingebauten Schutzmaßnahmen von oben betrachten. Hinweistafeln vor Ort informieren Besucher über das Projekt.

?Wir laden interessierte Gemeinden herzlich zur Teilnahme an diesem spannenden Forschungsprojekt ein?, Jaap Bresser, Projektleiter im IKT Nederland.Foto: Foto: IKT

Initiative für die grüne Stadt der Zukunft

Die Aufgrabungen finden übrigens öffentlichkeitswirksam zur Floriade 2022 statt – dem niederländischen Pendant zur deutschen Bundesgartenschau. Almere wird in dem Jahr der Ausrichter der Floriade sein, und die Testgräben befinden sich ganz in der Nähe des Gartenschaugeländes. Da sich das Forschungsprojekt auch als Initiative für die grüne Stadt der Zukunft und für ein angenehmeres Stadtklima versteht, passt das wirklich gut, finden die Beteiligten.

Interessierte Gemeinden können noch teilnehmen

Und noch ein Übrigens: Der Kreis der Beteiligten an diesem Projekt ist keine geschlossene Gesellschaft. Interessierte Gemeinden, ob aus Deutschland oder von anderswo, sind herzlich zur Teilnahme an diesem internationalen Forschungsprojekt eingeladen. Sie können sich auch jetzt noch aktiv einbringen, die Auswahl der zu untersuchenden Systeme mitbestimmen und durch eigenen Einsatz möglicherweise das Untersuchungsspektrum erweitern. Und am Ende profitieren die Teilnehmer natürlich als erste von den Ergebnissen.

Mit diesem internationalen Forschungsprojekt wollen die Beteiligten ein Stück beitragen zu einem besseren Stadtklima, zu grüneren Städten und zu sichererem Kanalbetrieb. Und zu einer besseren Nachbarschaft – zwischen Leitungseigentümer und Baumbesitzer genauso wie zwischen benachbarten Ländern.

Web-Wegweiser: www.ikt.de, www.ikt-nederland.nl

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