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Reportage

Kurz mal baggern in Korea

Ferngesteuerte Maschinen sind eigentlich nichts Neues. Trotzdem ist es faszinierend, einen Bagger von München aus zu bedienen, der im 8.500 km entfernten Korea steht. Wir haben es ausprobiert.

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Das Cockpit sieht aus wie immer: Joystick, Pedale und der Fahrersitz, der so typisch nachfedert, wenn man sich schwungvoll in ihn hinein fläzt. Auch an der Rundumsicht gibt es nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Der Baggerarm mit Sieblöffel in Ruheposition scheint auf ein Kommando zu warten. Bei genauerem Hinhören schwirren Hafengeräusche durch die Luft, die Arbeit kann beginnen. Lägen zwischen mir, fernsteuernde Baggerfahrerin auf Probe, und dem 38-t-Bagger keine 8.500 Kilometer – alles wäre normal. Doch im Vorführraum am bauma-Stand des koreanischen Baumaschinenherstellers Doosan geht es auch mal „unnormal“ zu.

Wie Videospielen

Doosan-Maschinenexperte Björn Borchers erklärt kurz die wichtigsten Joystick-Funktionen. Schaufel rauf, zur Seite fahren, Abkippen wie immer. Normalerweise kann auch das Fahrwerk der Maschine ferngesteuert werden. Diese Funktion hat der Hersteller jedoch ausgeschaltet. Sicher ist sicher, auch wenn am Hafengelände Leute vor Ort sind, die im Notfall korrigierend eingreifen können. Los geht´s: Ich lasse den Baggerarm nach links schwenken, fahre die Schaufel bis zum Boden und genehmige mir einen ordentlichen Hub Erde. Der Bagger gehorcht mir klaglos, nur die Schwenk- und Grabgeräusche melden sich über die Lautsprecherboxen. Tatsächlich fühlt sich das ferngesteuerte Baggern wie Videospielen an. Man spürt keinerlei Reaktion der Maschine, kein Ruckeln beim Abkippen, keine Schwerkräfte, die sich an den Handinnenflächen zwar nur sanft, aber deutlich niederschlagen.

Da dieses für jeden Maschinenführer wichtige „Feeling“ fehlt, um die Maschine präzise und materialschonend zu fahren, ist die Fernsteuerung nur für bestimmte Einsatzzwecke sinnvoll, zum Beispiel in Gefahrenzonen oder an sehr entlegenen Orten. Auch für Menschen mit Behinderung oder Rückenproblemen kann das distanzierte Cockpit als alternativer Arbeitsplatz nützlich sein.

Kein Fake – wozu auch?

Einige Besucher hegen den Verdacht, das Ganze könne ein Fake sein. In Wirklichkeit funktioniere das Ganze wie ein Videospiel. Das glaube ich allerdings nicht. Erstens: Was hätte ein Unternehmen davon, sein Fachpublikum an der Nase herumzuführen? Irgendwann kommt es doch raus. Und zweitens: Ferngesteuerte Maschinen sind keine neue Erfindung, beeindruckend ist nur die Entfernung, die aber eigentlich gar keine Rolle spielt. „Die durch die Distanz bedingte Verzögerung in der Reaktion der Maschine macht nur 0,3 Sekunden aus“, erklärt Björn Borchers. Diese sei aber auch nur deshalb so gering, weil Korea bereits über das schnelle 5G-Netz verfügt, über deren Einführung in Deutschland ja gerade verhandelt wird.

Auch Caterpillar als Platzhirsch im Baumaschinensektor wird sich kaum dem Risiko aussetzen, die Fernsteuerungsfähigkeit seiner Maschinen über große Entfernungen vorzugaukeln. In Halle B6 konnten Besucher eine Raupe im knapp 7.500 km entfernten Illinois ihre Runden drehen lassen. Deren Fahrwerk war neben dem Schild voll funktionsfähig, weshalb auch das eine oder andere Begrenzungshütchen dran glauben musste. Die Raupe fuhr in einer Halle. Gefahr für das Gebäude bestand nicht. Im Zweifelsfall hätte ein nicht rein zufällig in Illinois lebender US-Amerikaner den Notschalter betätigt.

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