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Korruption

Bestechung: „Kekse sind erlaubt.“

Gerade in der Weihnachtszeit beschenken viele Unternehmen ihre Kunden. Wir fragten die Rechtsanwältin Dr. Vivien Veit, wie nett gemeinte Gesten nicht zur Korruptionsfalle werden.

Inhaltsverzeichnis

Weihnachtsgeschenke sind in dieser Branche durchaus üblich. Würden Sie vor dem Hintergrund der Korruption lieber davon abraten, Kunden zu beschenken?

Dr. Vivien Veit: Nein, das Beschenken von Kunden ist grundsätzlich nicht verboten. Allerdings kann ein Geschenk den Verdacht der Korruption erwecken. Dies gilt insbesondere dann, wenn es einen gewissen Wert überschreitet und in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang zu einer Auftragsvergabe oder anderen Entscheidung des Gegenübers gewährt wird. Die Strafprozessordnung erlaubt eine staatsanwaltliche Ermittlung bereits bei Vorliegen eines Anfangsverdachts und somit schon dann, wenn lediglich der Anschein der Korruption besteht. Dafür genügt es schon, wenn die Übergabe eines Geschenkes nach außen hin den Eindruck erweckt, dass vom Gegenüber dafür eine Gegenleistung erwartet wird. Bei Amtsträgern ist ganz besondere Vorsicht geboten. Diese dürfen Geschenke überhaupt nicht und kleine Aufmerksamkeiten wie Bewirtungen nur in sehr geringem Maße annehmen. Der Gesetzgeber hat jede, auch nur potentielle Einflussnahme auf das Amt streng untersagt. In der Privatwirtschaft sieht es der Gesetzgeber ein bisschen lockerer, gegen gelegentliche Präsente zur Klimapflege ist nichts einzuwenden, so lange sich diese in einem adäquaten Rahmen halten.

Welchen Wert sollte ein Geschenk haben, um sich vor Korruptionsverdacht zu schützen?

Dr. Vivien Veit: Das ist schwierig zu beantworten, denn der Gesetzgeber schreibt keine Wertgrenzen vor. Viele Unternehmen richten sich nach dem steuerlich absetzbaren Betrag von 35 Euro pro Geschenk, bei einem Ermittlungsverfahren kann jedoch auch dieser Betrag zu viel sein. Grundsätzlich gilt, dass ein Geschenk sozial adäquat zu sein hat, es darf nicht den Anschein erwecken, den Beschenkten in seiner beruflichen oder dienstlichen Entscheidung zu beeinflussen. Die Möglichkeit der Beeinflussung hängt stark von der Wirkung des Geschenkes auf den Beschenkten ab. Nehmen wir als Beispiel einen Kugelschreiber: Von einem Plastikkugelschreiber mit Werbeaufdruck wird sich kaum jemand beeindrucken lassen, von einem Montblanc-Kugelschreiber in edler Hülle jedoch schon. Es ist ratsam, sich auf sein Gefühl zu verlassen: Würde ich bei dem Geschenk, das ich verschenken möchte, die Augenbrauen hochziehen oder begeistert in die Hände klatschen, wenn ich es selbst bekommen würde? Dann lieber Finger weg.

Wie kann ich mein Unternehmen schützen, wenn ich theoretisch mit jeder Art von Geschenk in Korruptionsverdacht geraten kann?

Dr. Vivien Veit: Wichtig ist, sich als Unternehmen Gedanken über dieses Thema zu machen. Man unterscheidet zwischen der passiven Korruption –ich bekomme etwas – und der aktiven Korruption – ich gebe etwas. Bei Werbegeschenken an die eigenen Mitarbeiter müssen die Vorgesetzten regeln, ob Geschenke angenommen werden und welchen Wert diese haben dürfen. Andersherum sollte festgelegt werden, ob Mitarbeiter Kunden beschenken dürfen und wenn ja, welche Wertgrenzen einzuhalten sind. Dies sollte unbedingt dokumentiert werden. Dabei sollte immer Raum für Einzelfallentscheidungen bestehen. Diese sind dann aber auch im Einzelnen zu besprechen und zu dokumentieren. An Amtsträger sollten überhaupt keine Geschenke gemacht werden.

Vorsicht ist außerdem geboten, wenn man jemanden beschenken möchte, der in absehbarer Zeit eine für das Unternehmen wichtige Entscheidung trifft, beispielsweise einen Auftrag zu vergeben hat. Das Gesetz erlaubt auch im privatwirtschaftlichen Verkehr keine Vorteilsgewährung, die im Zusammenhang mit einer Bevorzugung im Wettbewerb steht. Diesen Zusammenhang kann eine ermittelnde Behörde sehen, wenn die Schenkung und die Entscheidung zeitlich nah beieinander liegen.

Welchen Wert eines Geschenkes schätzen Sie als unproblematisch ein?

Dr. Vivien Veit: Nach unseren Erfahrungen sind Geschenke, die zwischen fünf und fünfzehn Euro kosten, unter normalen Umständen kein Problem. Wenn wir uns im Bereich über 30 Euro bewegen, rate ich dazu, den Vorgesetzen um Erlaubnis zu fragen. Dies gilt jedenfalls für den privatwirtschaftlichen Verkehr. Gegenüber Amtsträgern sind Geschenke – wie gesagt – nicht erlaubt.

Wie verhält es sich bei Essenseinladungen oder Einladungen zu Veranstaltungen? Die Grenze von 15 Euro ist in diesen Fällen ja schnell überschritten.

Dr. Vivien Veit: Auch hier haben wir das Problem, dass der Gesetzgeber keine festen Grenzen vorschreibt. Einladungen zu Geschäftsessen sind grundsätzlich unproblematisch, allerdings sollten sie branchenüblich sein und der Ort des Geschäftsessens nach der Ebene der Geschäftsbeziehung gewählt werden. Einen Geschäftsführer in ein gutbürgerliches Restaurant mit gehobener Küche einzuladen, dürfte unproblematisch sein. Bei Vorständen wird sogar der Besuch eines Sternelokals von der Rechtsprechung als sozial adäquat erachtet. Wichtig ist immer die Frage: Wie nah befinde ich mich an einer wettbewerbsrelevanten Entscheidung? Könnte mir unterstellt werden, dass ich Einfluss darauf nehmen möchte?

Zu genereller Vorsicht rate ich bei Einladungen zu Veranstaltungen ohne Branchenbezug, wie die VIP-Lounge beim Fußball oder teure Theater-Besuche, insbesondere wenn die Ehefrau oder Familie miteingeladen werden. Nach unseren Erfahrungen beäugen die Behörden solche Einladungen besonders kritisch, da sie außerhalb der eigentlichen Geschäftsbeziehung stattfinden und der Freizeitwert besonders hoch ist. Davon abgesehen, dass solche Karten sehr teuer sein können.

Bei Amtsträgern ist auch bei Einladungen höchste Zurückhaltung geboten, da das Gesetz jede Art der Zuwendung verbietet. Ein Vorteil im Sinne des Gesetzes ist es übrigens auch, wenn ich nicht den Geschäftspartner, von dem ich mir einen Auftrag verspreche oder den Amtsträger selbst beschenke, sondern z.B. dessen Ehefrau oder ihm nahestehende Organisationen. Das Gesetz bestraft insoweit auch den Drittvorteil, um Umgehungshandlungen zu verhindern.

Streng genommen müsste ich einem Amtsträger also die Kekse wegnehmen…

Dr. Vivien Veit: (lacht) Keine Sorge, einem Amtsträger den Kaffee vorzuenthalten, sieht das Gesetz nicht vor. Höflichkeit im Geschäftsleben ist oberstes Gebot und schließt auch den Amtsträger ein. Man muss sich nur klar machen, dass diese Personen strengen Regeln unterliegen und man sie und sich selbst daher in Schwierigkeiten bringt, wenn man ihnen einen wie auch immer gearteten Vorteil verschafft. Vorteil im Sinne des Gesetzes ist alles, was das Gegenüber besser stellt und worauf dieser keinen Anspruch hat. Ich würde strikt davon abraten, Amtsträger einzuladen oder ihnen Geschenke zu machen, egal wie wertlos diese erscheinen. Bei einer dienstlichen Besprechung, bei der sowohl Amtsträger als auch Mitglieder der Firma anwesend sind, brauchen Sie natürlich nicht die Kekse vom Tisch räumen. (augenzwinkernd) Und ein Wasser dürfen Sie dem Amtsträger natürlich auch anbieten.

Gibt es keine legitime Möglichkeit, einem Amtsträger eine kleine Freude zu machen?

Dr. Vivien Veit: Doch, eine Möglichkeit gibt es. Wenn Sie aus irgendwelchen Gründen einen Amtsträger zum Essen einladen oder ihm zum Dienstjubiläum eine kleine, da muss ich tatsächlich drauf bestehen, kleine (!) Aufmerksamkeit zukommen lassen möchten, kann dies im Sinne des Amtsträgers vom Dienstherrn genehmigt werden. Um diese Genehmigung müssen Sie sich dann aber VOR der Einladung bzw. Geschenkeübergabe kümmern und sicherstellen, dass diese tatsächlich von der zuständigen Stelle erteilt wird. Eine bloße Anzeige des Vorhabens genügt nicht.

Im Baubereich ist es gängige Praxis, Aufträge oder Genehmigungen an gewisse Bedingungen zu knüpfen. Ist es als Korruption zu werten, wenn zum Beispiel eine Genehmigung nur gegen den Bau eines Spielplatzes erteilt wird?

Dr. Vivien Veit: Darauf kann ich keine abschließende Antwort geben, denn hier muss ja der Einzelfall betrachtet werden. Grundsätzlich darf ein Amtsträger keine verwerfliche Verknüpfung zwischen einem eigenen oder einem Drittvorteil und der Erteilung einer Genehmigung bilden. Wenn die Kommune, vertreten durch einen Amtsträger, allerdings von allen, die an einem bestimmten Auftrag interessiert sind, den Bau des Spielplatzes fordert, liegt nicht zwingend eine unlautere Vorteilsannahme vor. Hier spielen darüber hinaus auch Fragen der Genehmigung eine Rolle. Das ist aber ein schmaler Grat und bedarf neben einer korruptionsrechtlichen auch einer kommunal- und vergaberechtlichen Prüfung. Ute Schroeter

Fallbeispiele Korruption

Scheck als Dank für Zusammenarbeit

Eine Firma hatte einem Bürgermeister als Dankeschön für die gute Betreuung und den reibungslosen Ablauf nach dem Bau einer Photovoltaikanlage einen Scheck über 5.000 Euro angeboten. Nach der Scheckübergabe erschien im Internet folgender Bericht (Auszüge): „[…] Besondere Unterstützung hat die Firma in allen genehmigungsrechtlichen und abwicklungsrechtlichen Fragen von der Verbandsgemeinde erhalten […]. Hierfür bedankte sich die Führungsriege des Unternehmens beim Verbandsbürgermeister ausdrücklich und überreichte einen Scheck über 5.000 Euro für die gute Zusammenarbeit“. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Bürgermeister ein. Der Vorwurf: Vorliegen eines Anfangsverdachts, dass die Übergabe des Schecks an die Vergabe der Baugenehmigung geknüpft war. Der Bürgermeister konnte den Vorwurf entkräften, da er sich im Vorfeld die Genehmigung des Rates für die Annahme des Schecks eingeholt hatte. Das Verfahren wurde wegen Nachweis der notwendigen Genehmigungen eingestellt.

Lehrerin muss Strafe zahlen

Wie der Spiegel im Januar 2015 berichtete, hatte eine zehnte Klasse an einer Berliner Schule ihrer Lehrerin als Abschiedsgeschenk eine Loriot-Figur im Wert von 198 Euro überreicht. Doch der Vater eines Schülers, der eine Auseinandersetzung mit der Lehrerin gehabt haben soll, erstattete Anzeige wegen Vorteilsannahme. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf. Berliner Beamte dürfen laut einer Verwaltungsvorschrift nur Geschenke bis zu einem Wert von zehn Euro annehmen. Die betroffene Lehrerin wurde zur Einstellung des Verfahrens mit einer Zahlung von 4.000 Euro an die Staatskasse belegt. Laut Spiegel habe die Lehrerin sehr viel Solidarität aus Politik und Elternschaft erfahren. Ein Münchener Webdesigner rief eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben, um der betroffenen Pädagogin die Strafsumme zurückzugeben. Allerdings bleibt fraglich, ob die Frau das Geld überhaupt annehmen dürfte, da hier wiederum die Geschenkeregelung greifen könnte.

Die „Nüsschen-Affäre“

In einem Unternehmen war es üblich, in der Vorweihnachtszeit hübsch verpackte Weihnachtsnüsse sowie Nussknacker an Kunden, darunter auch öffentliche Einrichtungen, zu verschenken. Der Wert pro Einheit betrug rund 49 Euro. Eine Betriebsprüfung entdeckte eine hohe Zahl von Zuwendungen insbesondere an Amtsträger und meldete dies der Staatsanwaltschaft. In der Folge wurde ein Ermittlungsverfahren gegen 75 (!) Personen eingeleitet. Insbesondere die Amtsträger müssen sich dem Vorwurf einer unzulässigen Vorteilsannahme erwehren. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, es stehen jedoch Geldtrafen sowie eine Eintragung ins Korruptionsregister im Raum. Das Unternehmen hat sich einsichtig gezeigt.

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