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… wie das Leben ohne Sand spielt?

Zur Fastenzeit kommen sie wieder aus der Deckung: die 40-Tage-Wurst-, Zigaretten- und Schoko-Abstinenzler. Und ich bin endlich nicht mehr allein in einer Welt des unbegrenzten Konsums. Ich bin Steine-Vegetarier und verzichte auf alles, was der Mensch der Erdkruste entreißt. Mineralien sind mir ein Graus, mein Zuhause ist frei von Glas, Zahnpasta und Katzenstreu. Ich löffel meine Suppe ohne Salz aus Pappschüsseln und nehme statt kiesdurchseuchter Betonstraßen den Holzweg.

In einer Welt ohne Sand, Kies und Naturstein kein Problem.Foto: Foto: Hero ? Fotolia.com

Es fühlt sich gut an, mein Plastik-Dasein. Auch mein Mann hat eingesehen, dass das Diamant-Collier zum Valentinstag ein Fehler war. Unsere Liebe ist gewachsen, seit er mir Gummiketten und Latexohrringe schenkt. Wir waren uns einig, dass wir den Schotter aus dem Tresor nicht mehr brauchen, feierlich haben wir ihn verbrannt. Unseren Sandkasten haben wir doppelt verriegelt, schließlich trägt man Verantwortung für den Schutz seiner Mitmenschen, insbesondere seiner Kinder.  Mein Sohn spielt jetzt mit Barbiepuppen, meine Tochter malt mit Filzern am liebsten Klinkerbauten und Steinmännchen. Ich glaube, sie muss das Trauma ihres alten, verstaubten Lebens verarbeiten. Seit wir Zucker zum Zähneputzen benutzen – hat ja das gleiche Abriebverhalten wie der Kalk in der Zahnpasta - gehört das Protestgeschrei abends am Holz-Waschtrog der Vergangenheit an. Wie schön sind die Nächte am Lagerfeuer auf Kiefernadeln in unserem Holzverschlag, das Knistern des Feuers im Gleichklang mit dem Knistern des pinken Plaste-Party-Bechers, aus dem wir Chianti mit fruchtigem – nicht mineralischem – Abgang schlürfen. Ab und an kommt eine Wühlmaus vorbei, manchmal eine Spinne. Pünktlich um Sieben dringt das fröhliche Quieken meiner kleinen Tochter an mein Ohr, immer dann, wenn ihr die Ameisen als Gute-Nacht-Gruß in den Po beißen. Dass der Sandmann die Kündigung gekriegt hat, stört sie kein bisschen. „Das Glitzer-Zeug hat immer so gebrannt in den Augen“, gestand sie mir.

Der Verzicht auf Mineralien hat auch seine Schattenseiten. Im Scheine einer Bienenwachs-Kerze schrieb ich einen Brief auf grauem Papier ans Bundesverkehrsministerium. Welcher Depp, bitte schön, hat die Holzstraßen aus dem Verkehrshaushalt gestrichen? Wie sollen wir denn mit unserem Kunststoffbike zum Stone-free-Laden kommen? So geht man nicht mit Minderheiten um. Auch das Drei-Tage-Regenwetter-Gesicht unserer Katze nervt mich. Das Fräulein will seit letzter Woche nicht mehr auf die Späne machen, will ihr kalkiges, geruchsneutrales Streu zurück. Immer nur Ärger mit dem Viehzeug. Gummienten sind doch die besseren Haustiere. (Ute Schroeter)

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