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Mit Fil Filipov wieder im Gleis

Eine gewisse Raubeinigkeit ist ihm nicht abzusprechen: Fil Filipov gilt als harter Knochen, und ihm gehört seit 2010 das Traditionsunternehmen Atlas Maschinen GmbH, Ganderkesee. Ende letzten Jahres sprachen er und seine Führungskräfte vor der geladenen Fachpresse über aktuelle Produkte und die positiven Entwicklungen des Baumaschinenherstellers. Vorgestellt wurde auch der neue Geschäftsführer Brahim Stitou.

Da geht?s lang: Fil Filipov fhrt das Unternehmen mit harter Hand.

Stitou, 35 Jahre alt und Vater von drei Kindern, ist seit seiner Lehre vor 19 Jahren im Unternehmen und machte seither eine Bilderbuchkarriere, die an die der legendären Tellerwäscher in den USA erinnert: vom Band zum Boss. Er verwies darauf, dass zum Unternehmenserfolg gerade in den letzten 24 Monaten umfangreiche Produktweiterentwicklungen und Diversifikationen beigetragen haben. So produziert Atlas mittlerweile neben Baggern, Umschlagmaschinen und Ladekranen auch Schaeff-Fräsen und Schaeff-Tunnelmaschinen sowie Radlader auf Kaelble-Basis. Die Ausweitung der Produktrange hat den Umsatz im Jahr 2014 auf 175 Euro wachsen lassen. Radikale Einschnitte auf der Kostenseite haben dazu geführt, dass das Ergebnis positiv ist.

Harter Schnitt bei der Belegschaft

Besonders deutlich wird die Zäsur bei der Personalentwicklung. Waren bei der Übernahme von Atlas durch Filipov im Jahr 2010 rund 750 Personen in den Werken Ganderkesee, Delmenhorst und Vechta beschäftigt, so standen im letzten Jahr noch ca. 420 in Lohn und Brot. Parallel stieg der Umsatz pro Mitarbeiter von 220.000 Euro pro Jahr auf nunmehr 420.000 Euro. Das ist ganz im Sinne von Filipov, der stets konstatiert: „Wir müssen wettbewerbsfähiger bei den Kosten sein.“

Umsatz und Ergebnis stimmen: Atlas ist wieder in der richtigen Spur.Foto: Foto: baunetzwerk/Volker Mller

Die Auseinandersetzungen mit den Arbeitnehmern und der Gewerkschaft haben über einen langen Zeitraum zu zahlreichen Arbeitsgerichtsprozessen geführt. Man spricht von 800 Verfahren, die am Oldenburger Arbeitsgericht wegen Verletzung des Betriebsverfassungsgesetzes verhandelt wurden. „Doch die Beziehung zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat wird besser“, meint der Unternehmenseigner. Bei zurzeit noch drei anhängigen Verfahren, die er als nicht relevant einschätzt, scheint der Betriebsfrieden halbwegs wieder hergestellt zu sein. So kann sich das Unternehmen wieder auf seine Kernaufgaben konzentrieren: Die Entwicklung, Produktion, den Vertrieb und Service für die umfangreiche Palette von Maschinen und Geräten.

Neu- und Weiterentwicklungen

Bei den sieben Mobil- und sechs Kettenbaggermodellen werden kontinuierlich Verbesserungen in der Ausstattung, der Bedienung und bei individuellen Kundenwünschen vorgenommen. Entwickelt wird zurzeit ein eigenes Schnellwechselsystem. Alle vorhandenen Atlas-Werkzeuge sollen mit dem neuen System problemlos verwendet werden können, heißt es dazu aus Ganderkesee.

Vom Band zum Boss: Bereits vor einem Jahr hat Fil Filipov die Geschftsfhrung an Brahim Stitou bertragen.Foto: Foto: baunetzwerk/Volker Mller

Kleine Details in der Weiterentwicklung der Bagger sind u.a. der Minilift, bei dem die Kabine vertikal bis 600 und 1.200 mm hoch gefahren werden kann. Diese Einrichtung bietet sich für die Beladung von modernen Vier-Achskippern an, die mit einer hohen Ladebordwand ausgestattet sind. Die neuen Kabinen erhalten u.a. eine LED-Innenbeleuchtung, eine abnehmbare untere Scheibe für bessere Sicht und ein längeres Glasdach. Optional ist für bestimmte Typen eine Schiebtür erhältlich. Der Kurzheck-Mobilbagger 160Wsr erhält eine neue Serienausstattung, inklusive Klimaautomatik. Außerdem ist die Programmierung von Öldruck bzw. Ölmenge für bis zu zehn verschiedene Anbauwerkzeuge möglich. Lastschaltgetriebe und Rohrbruchsicherung für Hebe- und Verstell-Zylinder sind jetzt serienmäßig. Der neue Deutz-Tier4i-Motor hat nun 95 kW.

Alle Maschinen mit Deutz- und Cummins-Motorisierung sind mit einer Motor-Stopp-Funktion ausgestattet. Der Motor schaltet automatisch nach einer frei gewählten Zeiteinheit ab. Die Funktion ist in Zehn-Sekunden-Abstufungen einstellbar. Nach der automatischen Abschaltung kann der Motor wieder ganz normal mit dem Zündschlüssel gestartet werden. Die Kraftstoffersparnis liegt damit nach Einschätzung des Herstellers zwischen 20 und 30%. Neu ist außerdem das Reibrad-System für die Zwei-Wege-Bagger. Laut Stitou kann auf der Baustelle in kurzer Zeit vom konventionellen Antrieb auf das alternative System gewechselt werden.

Energieautark: Mit dem optionalen Powerpack lassen sich kleine Schweiarbeiten nebenbei erledigen.Foto: Foto: baunetzwerk/Volker Mller

Ein interessanter Sonderbau wurde mit einem Mobilbagger W220 für ein Hamburger Bauunternehmen gefertigt. Die Vario-Lift-Kabine kann jeweils 2 m hoch und vor gefahren werden. Der Baggerfahrer hat somit eine gute Sicht auf den Arbeitsbereich bei Spezialarbeiten im Tiefbau. Außerdem wurde der Teleskopausleger des 1704 neu aufgelegt und mit einer passenden Tiefgreifeinrichtung ausgerüstet. Die maximal erreichbare Arbeitstiefe des so konfigurierten W220 beträgt ca. 10 m unter Planum.Alle Bagger und Umschlaggeräte werden zukünftig auch als Elektroversion erhältlich sein.

Stark im Sondermaschinenbau

Britta Frey, Geschäftsführerin der Atlas Spare Parts GmbH, Ganderkesee, stellte das Ersatzteilelager vor. Die Gesellschaft lagert auf einer Fläche von 6.000 m² 35.000 Teile für die Atlas-Bagger und -Krane, für Kaelble-Lader sowie für die Tunnelbagger und Fräsen für Bagger von 2 bis 60 t. Insgesamt sind 50.000 Ersatzteile bestellbar. Auch in diesem Bereich hat es einen massiven Personalabbau gegeben. Von 2009 bis 2014 wurde die Zahl der Mitarbeiter von 52 auf 23 reduziert. Gleichzeitig stieg der Umsatz pro Beschäftigten von 400.000 Euro auf 1,2 Mio. Euro im Jahr. Insgesamt wurden mit den Ersatzteilen, die eine Verfügbarkeit von 94% haben, im vergangenen Jahr 26 Mio. Euro umgesetzt.

Aufreier: Der Schaeff-Tunnelbagger und die Frse werden bei Atlas produziert.Foto: Foto: baunetzwerk/Volker Mller

Das Werk in Vechta produziert im Jahr rund 30.000 Hydraulikzylinder. Daneben, so erläuterte Stitou, werden Werkzeuge, die Tunnelbagger und die Anbaufräsen gefertigt. Stark fühlt sich der Hersteller im Sondermaschinenbau. „Wir sind ein Nischenhersteller“, sagte Stitou dazu. Einer von vielen Belegen dafür ist das optional erhältlich Powerpack, das der Geschäftsführer anführte. Erhältlich in der 220-V-Variante oder mit 380 V liefert es Strom direkt aus der Werkzeugbox des Baggers.

Die Kaelble-Radlader hat Atlas von Terex übernommen. Die vier Typen mit Schaufelinhalten von 1,6 bis 3,1 m³ werden unter der Marke Kaelble Atlas vertrieben, sind jedoch auch Terex-gebrandet zu bekommen. 54 Radlader wurden 2014 produziert. Ausgerüstet mit Cummins-Motoren, sollen die Radlader die Abgasvorschriften Tier IV final bis Mitte 2016 erfüllen.

Reaktionszeiten deutlich verkürzt

Zwei-Wege-Bagger mit zwei Antriebsvarianten: Die Maschine kann auf der Baustelle vom Carsy- auf den Reibrad-Antrieb umgerstet werden.Foto: Foto: baunetzwerk/Volker Mller

Erhebliche Fortschritte hat das Unternehmen im Umgang mit Gewährleistungsansprüchen gemacht. Lagen die Reaktionszeiten anfänglich noch bei nahezu unerträglichen zwei Monaten, so sind sie jetzt– je nach Produkt – auf drei bis sieben Tage gesunken. Das hat gleich mehrere Vorteile. Händler und Kunden sind zufriedener, und Produktfehler, die sich trotz aufwändiger Qualitätskontrollen im Werk erst im Arbeitseinsatz der Maschinen zeigen, können unmittelbar in den Fertigungsprozessen behoben werden.

Übrigens: Die Nachricht vom letzten Sommer, der Standort Delmenhorst würde geschlossen, ist zwischenzeitlich vom Tisch. Die rund 80 Mitarbeiter werden dort weiter Ladekrane produzieren. Die Information der Belegschaft war seinerzeit wieder ein „echter Filipov“: Der amerikanische Patriarch mit bulgarischen Wurzeln hatte die Ankündigung per Aushang vorgenommen.

Okay, Feingefühl und Mitarbeiterführung gehören offensichtlich nicht zu den Stärken von Filipov. Doch wie er selbst konstatiert ist Atlas „schuldenfrei und kein Freund der Banken“. Der knallharte Sanierer hat Atlas Baumaschinen relativ schnell wieder in die Erfolgsspur gebracht. Nun geht er stramm auf die 70 zu, ein Alter, in dem andere längst im verdienten Ruhestand sind. Und er? Filipov denkt nicht ans Aufhören, ist sich jedoch der Endlichkeit seiner Schaffenskraft bewusst. Er benutzte dafür am Ende des Pressegesprächs ein schönes Bild: „Ich will nicht wie der alte Hund sein, der den Knochen noch bewacht, aber nicht mehr essen kann!“ (Volker Müller)

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