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Leben in Öl und Asphalt

Facettenreich und vielfältig sind die Lebensräume, die sich um natürliche Öl-Austrittsstellen am Meeresboden herum etabliert haben. Dicht nebeneinander haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einer vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen – organisierten Expedition vieles in etwa 3 km Wassertiefe vorgefunden.

Asphalt bedeckt hunderte von Metern des Meeresbodens und bildet wieder einen Lebensraum ? hier siedeln zum Beispiel Bartwrmer und Baktierenmatten, aber auch Pflanzen wachsen dort

Darunter sprudelnde Gasblasenaustritte, massive Gashydrate, ölgetränkte Sedimente und Ablagerungen von schwerem Öl. Die verschiedenen Bestandteile Gas, leichteres Öl und zu Asphalt erstarrtes, schwereres Öl beheimaten jeweils charakteristische Gruppen von Organismen. Erste Ergebnisse haben die Forschenden zusammen mit Aufnahmen des Tauchroboters MARUM-QUEST jetzt in der Zeitschrift Biogeosciences veröffentlicht.

„In den vergangenen Jahren hat es eine kleine technische Revolution im Bereich der Meeresforschung gegeben“, erklärt Erstautor Dr. Heiko Sahling, wissenschaftlicher Mitarbeiter am MARUM und dem Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen. Viele der deutschen Forschungsschiffe wurden mit neuesten Fächerloten ausgestattet. Sie helfen den Forschenden, systematisch natürliche Austritte von Öl und Gas am Meeresboden zu finden. „Früher“, sagt Sahling, „glich das eher der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Nun haben wir Lebensräume am Meeresboden gefunden, die wir so noch nicht kannten.“

Mit den Echoloten können die Geowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Gasblasen in der Wassersäule aufspüren. Treten Kohlenwasserstoffe aus, verstärkt das das Schallsignal im Wasser und zum Teil auch des Meeresbodens. Diese neue Technik hat sich das Team aus Bremen, Kiel, Wien (Österreich), Mexiko City (Mexiko) und Tallahassee (USA) während einer Expedition in der Bucht von Campeche im südlichen Golf von Mexiko zu Nutze gemacht. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projekts haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Fahrtleitung von Prof. Dr. Gerhard Bohrmann hunderte von Gasaustritten entdeckt und einige davon exemplarisch mit dem Tauchroboter MARUM-QUEST untersucht. Ziel war es, den Weg von Kohlenwasserstoffen an natürlichen Austritten nachzuzeichnen. In welcher Form treten sie am Meeresboden aus, wie wirken sie auf die Organismengemeinschaften am Meeresboden, wie schnell wird das Öl abgebaut, wo bleibt das austretende Gas?

„Das Gas wandelt sich zum Teil in Gashydrat um, das kleine Hügel am Meeresboden bildet, die dicht mit metergroßen Bartwürmern besiedelt sind“, resümiert Heiko Sahling. „Zuweilen sind die Hügel aufgebrochen und erlauben einen Blick in einige Meter mächtige Gashydrate, wie sie bisher nur selten beobachtet wurden. Die Gashydrate werden überlagert von einer Reaktionszone, wo mikrobielle Gemeinschaften Methan umsetzen, Karbonat ausgefällt wird und die Bartwürmer wurzeln. Dadurch halten sie die Hügel zusammen und nehmen reduzierte Schwefelverbindungen auf, von denen sie sich ernähren. Es ist schon ein eigenartiger Lebensraum“, findet Sahling.

Neben Gas tritt auch flüssiges Öl aus. Es steigt langsam durch kleine weiße Schlote auf, die Öltropfen ziehen Fäden oder sickern durch die Sedimente. „Das Öl ist für die nicht daran angepassten Organismen schädlich“, erklärt Heiko Sahling, „aber das reiche Leben an diesen Stellen zeigt, dass bestimmte Organismen sogar von diesen Kohlenwasserstoffen leben können.“

Im Gegensatz dazu verflüchtigen sich einzelne Bestandteile des so genannten schweren Öls. Was übrigbleibt, formt Fließstrukturen aus Asphalt am Meeresboden. „Während der Expedition haben wir viele von diesen einmaligen Strukturen dokumentiert“, sagt Heiko Sahling. „Der Asphalt bedeckt dabei hunderte von Metern des Meeresbodens und bildet wieder einen Lebensraum – hier siedeln zum Beispiel Bartwürmer und Baktierenmatten.“

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