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Anbaufräsen: Geballte Ladung Kraft

Getreu dem Motto „Klein aber oho“ steckt in kompakten Anbauwerkzeugen
geballte, auf kleinsten Raum konzentrierte Leistung. baunetzwerk.biz stellt für den Gesteinsabbau geeignete Anbaufräsen vor.

Die Baureihe der Raptor-Anbaufrsen von Wimmer Hartstahl aus sterreich eignet sich fr bis zu 125 t schwere Bagger; die Abbruch-, Fels- oder Profiliertrommeln haben speziell gehrtete Schneidkpfe.

Gegenüber vielen Maschinen, die in der Gewinnungsindustrie eingesetzt werden, vornehmlich großen Baggern, Radladern und Muldenkippern, aber auch übermannshohen Hydraulikhämmern, wirkt eine Anbaufräse vorne am Baggerausleger klein und unscheinbar und kann daher leicht zu Trugschlüssen und vorschnellen Urteilen verleiten. Getreu dem Motto „klein, aber oho“ steckt in den kompakten Anbauwerkzeugen geballte, auf kleinsten Raum konzentrierte Leistung, die auf den ersten Blick unterschätzt wird.

An 40- bis 60-t-Baggern lst die Simex-Anbaufrse TF3000 mit 1,1 m Schnittbreite und 38.200 Nm Antriebsdrehmoment Gestein schneller und selektiver als mit anderen Methoden wie Hammer oder Sprengen.Foto: Foto: Tecnopart AG

Das beginnt bereits beim Durchmesser der Frästrommel: Er ist keineswegs so groß, dass Messebesucher bewundernd davor stehen würden, sondern eher klein gehalten. Erinnern wir uns dazu kurz an den Physikunterricht und das Hebelgesetz „Kraft x Hebelarm = Wirkmoment“. Wäre die Frästrommel sehr groß, würde beim Fräsen der lange Hebelarm zwischen Gegenkraft am Meißel und Trommelachse die an der Meißelspitze wirkende Schneidkraft mindern. Bei einer kleinen Frästrommel wirkt deshalb weitaus mehr Kraft auf den Meißel ein. Ein Vergleich kann dies erläutern: Schwerlastzugmaschinen haben kleinere Reifen als Lkw, um extrem hohe Zugkräfte auf den Straßenbelag zu bringen.

Deshalb haben hydraulische Leistung, Drehmoment, Trommeldurchmesser, Meißelart und -anordungen der Anbaufräse sowie die Gesteinsart, -abrasivität und -härte gravierenden Einfluss auf die zu erzielenden Abbaumengen, ob pro Stunde, Tag oder Monat. Bei sehr hohen Druckfestigkeiten von mehr als 120 MPa erreichen Anbaufräsen in ungünstigen Fällen nur etwa 8 bis 15 m³/h, bei 20 bis 50 MPa hingegen 50 m³/h und mehr.

Gleich die zweieinhalb- bis dreifache Abbauleistung im Vergleich zum Ausbrechen mit einem Reißzahn bewältigt ein 36-t-Bagger mit einer Rockwheel-Anbaufräse D30 von Rokla aus Langenburg beim Lösen von Kies-Sand-Konglomerat des mittleren Buntsandsteins, auch „Naturbeton“ genannt, in einem saarländischen Tagebau. Jahrzehntelang wurde dort das äußerst abrasive Konglomerat der Felsklasse 7 durch einen Reißzahn ausgebrochen, doch war der Verschleiß sehr hoch. Zudem belasteten dabei extreme Stoßbelastungen die Baggermechanik und den Fahrer beträchtlich.

Die in Deutschland gefertigten Rockwheel-Frsen mittlerer Gre haben mit Gehuse, Hydraulikmotor und Schneidkopf nur drei Hauptkomponenten; fr weniger Gewicht am Auslegerende wird auf ein Getriebe verzichtet.Foto: Foto: Rokla

Mit der Rockwheel D30, bestückt mit einem Spezialmeißelsatz für abrasives Gestein, werden nun stündlich 15 t „Naturbeton“ abgebaut. Mit dem Reißzahn am gleichen Bagger waren es hingegen in der Konglomeratschicht, die einen extrem hohen Quarzanteil von 95 % hat, lediglich 4 t/h. Die beiden Lösetrommeln der 1200 mm breiten Anbaufräse wurden mit 60 abriebgeschützten Meißeln ausgestattet, die über einen kleineren „Kopf“ und mehr „Körper“ als schlankere klassische Abbaumeißel verfügen.

Die Rockwheel D30 ist getriebelos; ihr hydraulischer Direktantrieb hat 110 kW Leistung. Dies soll für einen deutlichen Gewichtsvorteil gegenüber Fräsen mit Getriebe sorgen und demzufolge auch an kleineren Baggern hohe Leistungen bringen. Die getriebelosen Rockwheel-Fräsen der mittleren Größen- bzw. Leistungsklassen sind extrem kurz gebaut und haben mit Gehäuse, Motor und meißelbestückten Schneidköpfen nur drei Hauptkomponenten.

Aufschlussreich sind Leistungsangaben, die Erkat für Einsätze in der stationären Industrie nennt: In leicht zerklüftetem Kalkstein in einem Zementwerk kommt eine 3,3-t-Anbaufräse am 48-t-Bagger stündlich auf 100 t Fräsleistung. Eine 1,7-t-Fräse mit Spezialschneidköpfen produziert annähernd 90 t Gips pro Stunde, zwei 1,6-t-Fräsen an verschiedenen Einsatzorten in Deutschland erreichen ebenfalls im Gips durchschnittlich 40 m³/h Fräsleistung.

Rekordhalter beim Abbau mit Anbaufräsen dürften zwei 6 t schwere ER 5500-3 von Erkat sein, die in einem indischen Zementwerk an 120 t wiegenden Raupenbaggern verwendet werden. Der Betrieb der ersten Anbaufräse verlief dort so erfolgreich, dass ein Jahr später eine zweite ER 5500-3 bestellt wurde. Jede der beiden Anbaufräsen löst 200 t Kalkstein pro Stunde. Wegen gesetzlicher Einschränkungen beim Sprengen wurde nach Alternativen für den Gesteinsabbau gesucht. Der Kalkstein steht zerklüftet, aber auch in kompakter Formation an. Die Druckfestigkeiten des Rohsteins liegen zwischen etwa 40 und 120 MPa.

Eine Erkat ER 5500, mit 1,6 m Schnittbreite eine der grten Anbaufrsen der Welt, lst an einem 120-t-Bagger in einem Zementwerk 200 t/h Kalkstein; mit OilQuick-Schnellwechsler wird zwischen Frse, Hammer und Lffel gewechselt.Foto: Foto: Erkat

Die Erkat ER 5500-3 ist mit 1600 mm Schnittbreite nach Werksangaben die größte und stärkste Anbaufräse der Welt. Mit ihrer immensen Schneidkraft von fast 240.000 N und 400 kW Nennleistung erreicht die Fräse im Gestein mit bis zu 60 MPa eine durchschnittliche Nettofräsleistung von 90 m³/h. Am Auslegerstiel befindet sich ein OilQuick-Schnellwechsler, damit im raschen Wechsel mit Fräse, 7-t-Hydraulikhammer und Löffel zum Laden des Fräsgutes gearbeitet werden kann. Beim Wechsel erkennt „Toolcontrol“, welches Anbaugerät gerade benutzt wird, und stellt sowohl Ölmenge als auch Öldruck über eine Chiperkennung automatisch ein. Während die Anbaufräse überwiegend in Bereichen mit weniger hohen Druckfestigkeiten arbeitet, wird der Hydraulikhammer im härteren und kompakten Fels eingesetzt.

Anders als viele Anbaugeräte sind Anbaufräsen hochspezialisierte, bis ins Detail ausgeklügelte Baggerwerkzeuge, bei denen es sich eigentlich schon um kleine, eigenständige Baumaschinen handelt. Mit Eigengewichten zwischen etwa 2 und 6 t bringen größere Anbaufräsen übrigens mehr auf die Waage als so mancher Minibagger. Als Trägergerät übernimmt der Raupenbagger zwar den Antrieb und die Führung der Anbaufräse, doch das Lösen und Zerkleinern des Materials erledigt die „Baumaschine“ Fräskopf.

Die Atlas GmbH aus Ganderkesee bernahm 2014 Produktion und Vertrieb der bewhrten Anbaufrsen von Terex Schaeff fr Bagger bis zu 60 t Gewicht; eine Vielzahl spezieller Frstrommeln ist erhltlich.Foto: Foto: Atlas

Anbau-Fräsköpfe müssen robust und härter als der Fels sein, den sie zerkleinern, und sie müssen dauerhaft starken Vibrationen und harten Stößen widerstehen können. Deshalb sind Anbaufräsen trotz ihrer kompakten Dimensionen schwer, was entsprechende Tragkäfte am Baggerausleger und gleichermaßen robuste Schnellwechsler am Auslegerstiel erfordert. Hinzu kommt eine Eigenart dieser Abbaumethode: Oft verfährt der Bagger parallel zur Wand. Dann müssen die Tragkräfte ausreichend groß sein, um die Fräse auch mit dem um 90° seitlich geschwenkten Oberwagen sicher halten und führen zu können. Für einen genügenden Sicherheitsabstand zur Wand muss zudem meist bei recht großen Ausladungen gearbeitet werden, was die Ansprüche an die Tragkraft des Baggers weiter nach oben schraubt.

Zum hydraulischen Antrieb der Anbaufräse muss der Bagger nicht nur einen zusätzlichen Steuerkreis haben, sondern auch eine entsprechende Hydraulikleistung für den Dauerbetrieb. Abhängig von Fräsengröße und –fabrikat differieren die erforderlichen Durchflussmengen und Öldrücke beträchtlich, denn die Werte reichen bis 500 oder gar 1000 l/min bei 300, 350 oder 400 bar Druck. Soll in sehr warmen Sommermonaten oder in heißen Gegenden gearbeitet werden, muss bei der Baggerhydraulik eine ausreichende Wärmeabfuhr sichergestellt sein, damit es nicht zu Überhitzungsproblemen kommen kann.

Die 2,55 t schwere SC 120 von LST Equipment aus Zwickau fr Bagger der 30- bis 45-t-Klasse hat einen niedertourigen Hydraulikantrieb und ein Getriebe fr 36.100 Nm Schneidkopf-Drehmoment.Foto: Foto: LST Equipment

Um die Abstimmung zwischen Anbaufräse und Bagger zu erleichtern, bieten manche Fräsenhersteller wie Erkat auf ihrer Internetseite ein ausführliches Baggerverzeichnis. Damit lässt sich die für einen ausgewählten, eventuell im Maschinenpark vorhandenen Bagger am besten geeignete Anbaufräse schnell und einfach einkreisen. Die Tabellen zeigen für die Baggerbaureihen von 20 namhaften Fabrikaten die empfohlenen Anbaufräsen und Motorgrößen. Das Baggerverzeichnis umfasst sogar ältere, heute nicht mehr erhältliche Fabrikate wie Daewoo, Fiat-Kobelco und O amp;K Orenstein amp; Koppel. In dem Baggerverzeichnis wird auch unterschieden, ob die jeweiligen Bagger ein oder zwei Hydraulikpumpen haben und ob das Hydrauliksystem eine Zweipumpen-Summenschaltung erlaubt, ohne dass eine Modifizierung der Baggerhydraulik vorzunehmen ist.

Keineswegs gleicht eine Anbaufräse der anderen, denn der Markt bietet für unterschiedliche Einsatzzwecke eine breite Vielfalt von Fräsenbauarten. Gewählt werden kann zwischen Querschneidkopffräsen mit horizontaler Achse der Frästrommel als Standard-, Profilier- und Tunnelprofilfräsen, Längsschneidkopffräsen, Kettenfräsen (patentierte Anbaufräsen mit Fräskette), Rotatorfrästechnik, Fräs- und Felsschneidrädern, Flächenfrästechnik mit Anbaufräsen für Asphalt und Beton und kombinierten Fräsen-Tieflöffeln.

Hinzu kommt die Variationsbreite der für den jeweiligen Einsatz optimal geeigneten Schneidköpfe. So nennt Atlas Maschinen aus Ganderkesee bei den Schaeff-Anbaufräsen eine Lösetrommel für weiches bis mittelhartes Gestein und große Schnitttiefe für maximale Produktivität, eine Profiliertrommel für weiches bis mittelhartes Gestein mit höherer Meißelanzahl für verminderte Vibrationen sowie eine Abbruchtrommel für Beton und mittelhartes bis hartes Gestein.

Hat der Bagger einen automatischen Schnellwechsler wie Variolock VL 200 von Lehnhoff, wird in rascher Folge zwischen Frskopf und Tieflffel zum Verladen gewechselt, ohne dass der Fahrer die Kabine verlassen muss.Foto: Foto: Lehnhoff

Nach der Wahl des Fräsen- und Trommeltyps folgt die Meißelart, die sich zum Lösen des betreffenden Materials oder Gesteins am besten eignet. Die möglichst sorgfältige Anpassung der Meißel an die Einsatzbedingungen kann erheblich zur Steigerung der Fräs- und Abbauleistung sowie - nicht minder wichtig - zur Reduzierung des Meißelverschleißes und damit zur Kostensenkung und Verkürzung der Stillstandzeiten für Meißelwechsel beitragen.

Zur Verfügung stehen beispielsweise Standardmeißel für weiches bis mittelhartes Gestein, Heavy-Duty-Meißel für mittelhartes bis sehr hartes Gestein sowie für Kalkstein und Beton oder auch besonders verschleißgeschützte Meißel für hochabrasives Material wie Sandstein. Für Sonderzwecke gibt es beispielsweise Spezialmeißel für Hochofenschotter und Holzfräsmeißel für das Abfräsen von Baumstümpfen.

Simex-Anbaufrse TF3000 mit 1,1 m Schnittbreite und 38.200 Nm AntriebsdrehmomentFoto: Foto: Tecnopart AG

Einige Fräsenhersteller bieten Meißel aus hauseigener Entwicklung, die aus hochlegiertem Stahl mit eingelöteten Hartmetallspitzen gefertigt werden. Für den unkomplizierten und raschen Austausch der Meißel werden gerne Standard-Meißelhalter verwendet. Von anderen Herstellern wie Eickhoff aus Bochum wird bevorzugt, dass sich die Meißelhalter zur Aufnahme weltweit erhältlicher Meißelfabrikate und Zahnsysteme eignen. So sollen Kosten für die Schneidwerkzeuge minimiert werden. Bei der Meißelanordnung greift Eickhoff auf langjährige Erfahrungen in der Konstruktion der mit vergleichbaren Fräsköpfen bestückten Teilschnittmaschinen für den untertägigen Bergbau zurück.

Der italienische Hersteller Simex (in Deutschland Baumatex aus Lohmar) hebt bei den Fräsköpfen seiner Anbaufräsen die patentierte Zahnanordnung hervor. Betont wird, dass für die Wirtschaftlichkeit einer Anbaufräse ausschlaggebend ist, in welchem Winkel die Meißel auf der Frästrommel angeordnet sind und in welchem Winkel welcher Meißel schneidet. Die optimierte Zahnanordnung soll nicht nur für einen sehr ruhigen Lauf der Frästrommeln sorgen, sondern auch den Verschleiß an den Meißelspitzen reduzieren. (Heinz Herbert Cohrs)

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